Glaub nicht es sei vorbei
Wahrscheinlich bestand für ihn nicht der geringste Zweifel, dass nach dem Tod seines Vaters und dem Ausscheiden seines älteren Bruders er die Firma weiterführen würde. Aber Großvater machte sich Sorgen. Er glaubte nicht, dass mein Vater das Zeug dazu hätte.«
»Er hat sich getäuscht.«
»Ja. Vater hat die Firma geliebt.« Sie wurde ernst. »Ein Jammer, dass er so früh sterben musste.«
»Ich weiß noch, dass er einen Unfall hatte. Aber ich weiß nicht mehr, was ihn verursacht hat.«
»Wir fuhren über eine bewaldete, hügelige Landstraße. Es war Herbst — Jagdsaison. Offenbar hat ein Schütze sein Ziel verfehlt und stattdessen unseren Reifen getroffen.«
»Um Gottes willen!«, entfuhr es Clay. »Ein derart miserabler Schütze verdient doch keine Jagdlizenz. Wer war es denn?«
»Das hat man nie herausgefunden, obwohl ein paar junge Burschen mit Gewehren in der Gegend gesehen worden waren. Sie waren offenbar betrunken, aber niemand war imstande, sie zu identifizieren. Noch heute hasse ich die Jagd.«
»Kein Wunder, aber wenigstens hast du den Unfall überlebt. Deine Mutter war bestimmt ziemlich froh darüber.«
»Ich nehme es an, ja.« Rebekka war froh, dass der Ober den Wein brachte. Sie hatte sich ein Glas Chablis bestellt, angenehm kühl, wie sie ihn mochte. »Sie war nach Daddys Tod so am Ende, dass sie mich kaum noch wahrgenommen hat. Vielleicht war sie mir auch ein wenig böse, weil ich den Unfall überlebt hatte und Daddy nicht, obwohl sie es nie zugeben wollte. Was war das für ein Durcheinander damals! Gott sei Dank war Frank in der Nähe und sprang ein. Daddy hatte immer schon ein engeres Verhältnis zu ihm als zu seinem Bruder. Er war damals Patricks Stellvertreter und kannte sich bestens aus. Mutter hat ihm vorbehaltlos vertraut und sich in jeder Hinsicht auf ihn verlassen. Manchmal glaube ich fast, dass Frank sie nur aus Loyalität zu meinem Vater geheiratet hat und weil sie so hilflos war.«
»Er hat sie aus Pflichtgefühl geheiratet?«
»Nicht nur. Aber vielleicht ein bisschen.« Sie hielt kurz inne. »Das war jetzt ausgesprochen gemein. Was bin ich doch manchmal für ein hinterhältiges Biest.«
Clay schüttelte den Kopf. »Komisch, und ich habe dich all die Jahre für eine Hexe gehalten. Fliegst du nicht auf einem Besen herum und tanzt bei Vollmond nackt im Kreis?«
Sein Scherz riss sie aus ihrer düsteren Laune, und sie musste lachen. »In Sinclair gebe ich mich nur zu Halloween diesem Vergnügen hin. In New Orleans ist das etwas anderes. Da gibt's haufenweise solche wie mich, da geht's immer hoch her.«
Der Ober tauchte auf, um ihre Bestellungen entgegenzunehmen, und entschwand in die Küche.
»Und wie war dein Tag?«, fragte Rebekka.
»Drei Beinbrüche. Das ist Rekord. Ein übler Migräneanfall. Lebensmittelvergiftung nach dem Genuss eines Schinkensalats, der bei einem Picknick zu lange in der Sonne gestanden hatte.« Er grinste. »Und ein Kind hat seinen Hund angeschleppt, den ein Auto angefahren hatte. Ich dürfte so was eigentlich gar nicht tun, aber ich habe das Tier ein wenig verarztet, bevor eine Schwester Kind und Hund zum Tierarzt brachte. Ein paar Stunden später habe ich den Tierarzt angerufen und erfahren, dass der Hund bald wieder auf dem Damm sein wird.«
»Das freut mich. Soviel ich weiß, hast du eine Hündin namens Gypsy. «
Er nickte lächelnd. »Mittelgroßer Mischling. Aus Beagle und Deutschem Schäferhund. Oder einem Dutzend anderer Rassen. Goldbraunes Gesicht, schwarzer Rücken. Von vorn sieht sie aus wie ein Pferd.«
»Ein Pferd?«
»Vielleicht fällt das nur mir auf.«
Rebekka lachte. »Das hoffe ich doch. Du lieber Himmel!«
Auch Clay musste lachen. »Wahrscheinlich klingen ihr jetzt die Ohren, dann kriege ich was zu hören, wenn ich nach Hause komme. Jedenfalls habe ich sie bei mir aufgenommen, eine liebenswerte kleine Streunerin. Für gewöhnlich ist es mir peinlich zuzugeben, wie sehr ich an ihr hänge.«
»Sie ist dir also zugelaufen«, sagte Rebekka bewundernd. »Ich habe meinen auch aufgelesen, nur ist meiner ein reinrassiger australischer Schäferhund — der mitnichten aus Australien stammt, wie fälschlicherweise immer angenommen wird, sondern in Amerika gezüchtet wird. Er ist schnell und zum Schafehüten geeignet, obwohl Sean zweifellos in seiner Ehre gekränkt wäre, wenn er Schafe treiben müsste. Gestern habe ich ihn in den Hundesalon gebracht, und da hat man ihm eine Schleife ins Fell gebunden. Seine Macho-Seele war zutiefst
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