Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
sollte das sein? Wenn Heiner seine Frau tatsächlich von einem Start in London
abhalten wollte, hätte er zu subtileren Mitteln gegriffen. Diese Brutalomethoden
waren nicht sein Stil. Nie und nimmer hätte er zugelassen, dass Nanuschka, Fionas
Katze, getötet würde.
Es sei denn,
da war etwas aus dem Ruder gelaufen. Etwas oder jemand. Ein Privatdetektiv, der
plötzlich nach eigenem Gusto vorging. Vorschlaghammer statt Nadelstiche. Erst der
schwarze Mann im Garten, dann die Warnung in Karlsruhe, später der Katzenmörder.
Gab es eine Verbindung zwischen de Weert und Tietje? War der eine vom anderen beauftragt
worden? Und wer hatte dann bei der Entführung mitgemischt?
Nein, Heiner
war nicht mein Mann. Es durfte einfach nicht sein!
Ich machte
mir eben einen Kaffee gegen das Gedankenkarussell und die miese Laune, als mein
Handy klingelte. Schon wieder eine Berliner Nummer. Vorsicht, Max!
»Ja?«
»Hier Pollek«,
meldete sich eine Stimme, die ich irgendwann, irgendwo einmal gehört hatte. In einem
Zusammenhang, der mir nicht gefiel.
»Kenne ich
nicht.«
»Der Wirt
vom Leuchtturm.«
»Ach, nee!«,
machte ich. Was wollte der Leuchtturmwärter von mir?
»Du bist
doch der Schnüffler, der letzte Woche wegen Tietje hier war?«
»Bin ich.
Hab immer noch einen steifen Hals. Die 300 Euro könnte ich als Schmerzensgeld zurückfordern!«
»Reg dich
ab, ich hab was für dich. Moment.«
»Was denn?«
Statt einer Antwort vernahm ich ein Rascheln und Knacken im Hörer. Oja, Deutschland
war groß und Berlin so weit weg! Was in diesem Fall tätliche Auseinandersetzungen
verhinderte.
Plötzlich
eine ganz andere Stimme: »Hallo? Sind Sie noch dran?«
»Ich glaube
schon.«
»Mein Name
ist Böhnlein«, klang es tenoral aufgeräumt durch den Hörer. »Es hieß, Sie wollten
mit mir sprechen. Wegen des Todes von diesem Tietze.«
»Tietje?«
»Richtig,
Tietje.«
»Ich verstehe
nicht. Wer sagte, dass ich mit Ihnen sprechen möchte?«
»Na, der
Leuchtturm-Wirt.«
Da schau
einer an. Hatte den Kneipier das schlechte Gewissen gepackt? Es geschahen noch Zeichen
und Wunder!
»Wie standen
Sie denn zu Tietje?«, fragte ich.
»Gar nicht«,
lautete die fröhliche Antwort. »Den Namen habe ich heute zum ersten Mal gehört.
Wenn ich den Wirt richtig verstanden habe, suchen Sie einen Herrn, mit dem er vor
einigen Wochen hier im Leuchtturm war. Ein junger Mann. Schlank, dunkle Locken.«
»Kennen
Sie ihn?«
»Auch nicht,
tut mir leid. Er stellte sich mir nicht vor. Wir unterhielten uns bloß ein wenig
über die Funktionsweise von Spielautomaten.«
»Worüber?
Bitte, Herr Böhnlein, das müssen Sie mir erklären.«
»Sicher.«
Er räusperte sich. »Sehen Sie, ich spiele für mein Leben gern. Brettspiele, Glücksspiele,
Wetten – einfach alles. Wobei ich nicht spielsüchtig bin, ganz im Gegenteil. Es
ist nur ein Hobby. Meine Leidenschaft, wenn Sie so wollen. Ich habe auch noch nie
größere Summen verloren. Wenn ich ausgehe, nehme ich nur einen bestimmten Geldbetrag
mit, dessen Verlust ich verschmerzen kann. Das gehört zu meinen Prinzipien, verstehen
Sie?«
»Schon,
aber was hat das mit Tietje zu tun?«
»Hier im
Leuchtturm steht ein Spielautomat. Wussten Sie das?«
»Ich erinnere
mich, ja.«
»Nun, ich
bin kein häufiger Gast dieses …«, er kicherte albern, »dieses Etablissements. Aber
vor ein paar Wochen schaute ich mal vorbei und spielte eine Runde. Und dabei kam
ich mit einem jungen Mann ins Gespräch, der vorher anscheinend bei diesem Herrn
Tietze oder Tietje am Tisch saß. Er wollte gerade gehen, als er mich an dem Automaten
sah. Da stellte er sich neben mich und erklärte mir, warum der Spieler auf lange
Sicht immer gegen das Gerät verliert.«
»Das hätte
ich Ihnen auch erklären können.«
»Aber nicht
so wie er«, rief Böhnlein. »So nicht, mein Herr! Ich weiß ja selbst, wie der Hase
läuft. Der Glücksspielhase. Dass es sich für das Unternehmen, das den Automaten
betreibt, rechnen muss. Auf lange Sicht verliert unsereins natürlich. Was allerdings
im nächsten Spiel passiert, ist offen. Das macht den Reiz aus. Jedenfalls warf dieser
junge Mann mit Zahlen nur so um sich, mit Wahrscheinlichkeiten und Logarithmen und
mathematischen Formeln. Er konnte mir genau sagen, wie hoch die Gewinnmarge für
diesen Automaten war. Verstehen Sie, das rechnete der alles im Kopf aus.«
»Klingt
ganz schön oberlehrerhaft.«
»Aber nein,
es war hochinteressant! Ich fragte ihn, woher er all das wüsste, und da meinte
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