Glut der Versuchung
rothaarigem Dieb gemacht hatten.
Rastlos lief sie im Haus auf und ab, während sie darüber nachdachte, in welcher Zwickmühle sie steckte. Der gestrige Tag hatte ihr endgültig gezeigt, in welch ernste Gefahr sie bei Drew geriet. Und zu ihrem Verdruss wuchsen ihre Gefühle für ihn mit jedem Moment, den sie mit ihm verbrachte.
Sie wusste jetzt, dass sie nicht riskieren durfte, ihn weiterhin um sie werben zu lassen. Solange sie allerdings noch verlobt waren, wäre sie gezwungen, Drews Gesellschaft recht häufig zu ertragen. Und nach dem romantischen Zwischenspiel letzte Nacht wäre es ihr unmöglich, emotionale Distanz zu ihm zu wahren.
Wie unsinnig, dass sie es überhaupt für möglich gehalten hatte, dachte Roslyn. Vor wenigen Wochen erst war Arabella in einer ähnlich vertrackten Lage gewesen. Belle wollte sich nicht in Marcus verlieben, und doch konnte sie nicht anders.
Roslyn nagte an ihrer Unterlippe und fragte sich, ob sie im Begriff war, genauso zu enden wie ihre Schwester. Sie wünschte, ihre Schwester oder Tess wären hier, und seufzte. Sie vermisste sie alle schrecklich und brauchte ihren Rat. Aber Arabella würde erst Ende nächster Woche nach Hause kommen, und Tess war nach London gefahren, wo sie Lily bei deren Arbeit in Fannys Gästehaus unterstützte. Da sie sich also an keine von ihnen wenden konnte, musste Roslyn ihr Dilemma ganz allein lösen.
Energisch vertrieb sie ihre sorgenvollen Gedanken, machte auf dem Absatz kehrt und eilte in ihr Schlafzimmer, um sich ihre Reisekleidung anzuziehen. Sie würde der Freemantle-Akademie einen Besuch abstatten. Zwar hatte sie keinen Unterricht zu geben, weil während der Sommerferien nur eine Handvoll Schülerinnen dort waren, um die Jane Caruthers sich kümmerte. Aber Roslyn genoss die Gesellschaft der Mädchen, und bei ihnen wäre sie wenigstens für eine Weile abgelenkt. Es täte ihr gewiss gut, eine Weile nicht über Drews beunruhigendes Werben und ihre ungewisse Zukunft nachzudenken.
Der Besuch war wirklich eine Wohltat, so dass Roslyn sogar noch zum Tee in der Akademie blieb. Doch als sie wieder in Danvers Hall war, holten ihre Sorgen sie aufs Neue ein.
Vielleicht wäre es das Klügste, die Verlobung jetzt zu lösen. Sie war überzeugt, dass es töricht von ihr wäre, ihn zu heiraten. Drew hatte ihr wiederholt gesagt, dass er keiner Frau je sein Herz schenken würde, und sie konnte ihres allzu leicht an ihn verlieren.
Wie das endete, konnte sie ja an Winifred sehen. Ihre Freundin hatte so viel Kummer und Schmerz erlebt, weil sie einen Ehemann liebte, der ihre Liebe nicht erwidern konnte.
Allein diese entsetzliche Erfahrung sollte Roslyn Warnung genug sein.
Um ihre chaotischen Gedanken zu beruhigen, zog sie sich ein altes Kleid an und ging hinaus in den Garten. Allmählich erblühten die Blumenbeete wieder in ihrem alten Glanz, denn Marcus hatte ein Vermögen ausgegeben, um Haus und Gartenanlagen instandzusetzen. Deshalb konnten sie sich nun den verschwenderischen Luxus leisten, frische Blumen für die Salons zu schneiden.
Sie war über einen Rosenstrauch gebeugt und schnitt eine besonders dornige gelbe Rose, als sie hörte, wie die Seitenpforte geöffnet wurde, und aufsah. Es war Lord Haviland, der über den Kiesweg zu ihr kam.
Roslyn richtete sich auf, ließ die Rose und die Blumenschere in den Gartenkorb zu ihren Füßen fallen, und wartete, bis er bei ihr war.
»Ah, ich hatte gehofft, Sie zu Hause anzutreffen, Miss Loring! «
Roslyn erwiderte sein charmantes Lächeln. »Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen, Mylord?«
»Ich bin persönlich gekommen, um eine Einladung meiner Großmutter zu überbringen. Sie gibt nächste Woche eine Party und trug mir auf, ich solle Sie unbedingt überreden zu kommen. «
Als Haviland ihr eine geprägte Karte hinhielt, zog Roslyn ihre Gartenhandschuhe aus, um sie zu nehmen.
»Großmutter würde sich geehrt fühlen, wenn Arden ebenfalls käme«, fügte er hinzu, während Roslyn die Einladung überflog.
»Ich bin nicht sicher, welche Pläne seine Durchlaucht hat, also kann ich nicht für ihn zusagen, aber ich komme sehr gern.«
»Sehr schön.« Haviland zögerte. »Ich gestehe, dass ich überrascht war, von Ihrer Verlobung mit Arden zu hören. Damit hatte ich nicht gerechnet, so vehement wie er sich gegen die Ehe ausspricht. «
Roslyn fühlte, wie sie rot wurde. »Ich weiß. Es war ziemlich ... plötzlich.«
»Ich möchte Ihnen meine Glückwünsche aussprechen, obgleich ich bedaure, dass ich leider
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