Gnadenlose Jagd
Ahnung gehabt hatte, aber sie ahnte nicht, wie viel er umgekehrt auch von ihr gelernt hatte.
Genug. Egal wie sehr er es sich als Verdienst anrechnete, zur Entwicklung dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit beigetragen zu haben, letztlich war Grace Archer eine selbständige Frau, frei in ihren Entscheidungen und selbst für sich verantwortlich.
Und er musste dafür sorgen, dass diese Frau und seine Tochter die kommenden Tage überlebten.
»Sie sind heute Morgen um vier Uhr in der Oase eingetroffen.« Der Scheich machte ein angewidertes Gesicht. »Eine ganze Karawane aus Wohnmobilen, Pferdeanhängern und Transportern mit Marvots Privatarmee. Er ist ein Schandfleck in der Landschaft. Erinnern Sie sich noch, dass ich Ihnen mal gesagt habe, wir würden aus unserem Lebensraum verdrängt? Mit so was muss ich in den nächsten Jahren überall in meiner Wüste rechnen.«
»Vielleicht auch nicht«, erwiderte Kilmer. »Marvot ist ein Verbrecher, der sich mit Gewalt seinen Weg durchs Leben bahnt. Jeder andere müsste rücksichtsvoller vorgehen.«
»Dennoch werden Eindringlinge kommen. Und die Marvots dieser Welt werden niemals aussterben, genauso wie es das Böse immer als Ausgleich für das Gute geben wird.« Der Scheich rollte eine Landkarte auf dem alten, lederbezogenen Tisch aus. »Er hat bereits seine Leute ausschwärmen lassen, um dafür zu sorgen, dass niemand mehr in der Nähe ist, der ihm in die Quere kommen könnte.« Seine Lippen spannten sich. »Als wenn er uns finden könnte, ohne dass wir entdeckt werden wollen. Wir kennen diese Wüste. Aber wir werden in einer Stunde das Lager abbrechen, also lassen Sie uns das hier schnell erledigen.« Er zeigte auf eine Stelle auf der Karte. »Das ist die Oase, die Marvot jedes Mal als Basislager benutzt. Als er angefangen hat, die Pferde hierherzubringen, hat er eine Koppel anlegen und einen Schuppen errichten lassen. Es gibt mehrere große Zelte im Lager, aber Marvot wohnt natürlich in einem luxuriösen, klimatisierten Wohnmobil.« Der Scheich tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle in der Mitte der Karte. »Und zwar genau hier.«
»Umgeben von der Privatarmee, die Sie erwähnten. Wie viele Männer hat er?«
»Mein Späher hat siebenundzwanzig gezählt. Wo ist die Landkarte, die Sie Marvot gestohlen haben?«
Kilmer zog das Beutelchen aus der Tasche, entnahm ihm die Karte und breitete sie auf dem Tisch des Scheichs aus. »Wo genau bringt Marvot die Pferde in der Wüste hin?«
Der Scheich zeigte auf ein Planquadrat. »Hier. Bis auf ein kleines Wüstendorf gibt es dort nur Dünen. Aber drei Kilometer weiter nördlich beginnen die Ausläufer des Atlasgebirges. Hier. Im Dorf gibt es Wasser, es könnte also sein, dass Grace dort anhalten lässt, um die Pferde zu tränken.« Er grinste verschmitzt. »In dem Dorf müssten die Pferde sich richtig zu Hause fühlen. Dort hat er sie aus den Anhängern gelassen, und sie sind genau dort geblieben. Sie haben sich nicht vom Fleck gerührt.«
»Könnte es sein, dass der Motor irgendwo im Dorf versteckt ist?«
»Nein. Marvot hat das ganze Dorf durchsuchen lassen. Die Zwei waren einfach zu stur, um auch nur einen Schritt zu machen.«
»Oder zu gut abgerichtet.«
Der Scheich zuckte die Achseln. »Möglich. Burton war ein Fanatiker, was das Abrichten der Pferde anging. Er ist sieben Monate mit ihnen fort gewesen, und ich habe keine Ahnung, was er während der Zeit mit ihnen gemacht hat.« Er schürzte die Lippen. »Eigentlich möchte ich es auch gar nicht so genau wissen. Aber als er mit ihnen zurückkam, waren sie vollkommen fügsam.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob die Zwei bei Burton besser aufgehoben waren, als sie es bei Marvot sind.« Kilmer betrachtete das Dorf auf der Karte. »Könnten wir dort irgendwo ein Treffen mit Grace arrangieren?«
»Es gibt mehrere Möglichkeiten. Aber Marvot wird einige seiner Männer vorausschicken, um das Dorf zu durchsuchen. Das tut er jedes Mal.«
»Denen können wir aus dem Weg gehen. Die Frage ist, ob sie Grace auf Schritt und Tritt folgen werden.«
»Wenn Marvot auch nur die geringste Chance haben will, dass die Pferde kooperieren, werden sie das nicht tun. Schließlich hat er Grace hergeholt, weil die Pferde seinen Leuten gegenüber absolut widerspenstig waren. Hoffen wir, dass er über die Jahre dazugelernt hat.« Der Scheich überlegte. »Aber er wird sie ständig aus der Entfernung überwachen lassen. Mit dem Fernglas, mit dem Teleskop … wie eine Amöbe unterm Mikroskop.
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