Gnadenlose Jagd
lassen, wenn sie sieht, dass du es geschehen lässt. Wenn du sie retten willst, musst du es akzeptieren.«
Obwohl der Sturm sie noch gar nicht erreicht hatte, verursachte der Sand bereits einen stechenden Schmerz in ihrem Gesicht.
Charlie wich vor ihr zurück.
»Ich will dir nur helfen, Charlie.« Sie hörte die Verzweiflung in ihrer eigenen Stimme. »Vertrau mir.«
Er wich weiter zurück.
Sie blieb stehen und holte tief Luft. »Ich kann dich nicht zwingen. Aber ich habe dich noch nie angeschwindelt. Ich habe dir noch nie etwas zuleide getan, und ich werde es auch jetzt nicht tun.«
Er blieb stehen und starrte sie an. Seine Mähne flatterte im Wind, und seine Muskeln waren angespannt.
Sie trat einen Schritt näher. »Bitte. Ich werde dir hiermit Augen und Nüstern verbinden, damit du atmen kannst. Und dann bleiben wir dicht beieinander, bis Hilfe kommt. Okay?« Er ließ es zu, dass sie ihm das Stück Stoff über Augen und Nüstern legte und verknotete. »Ganz ruhig«, sagte sie sanft. »Du musst keine Angst haben. Jetzt werde ich mit Hope dasselbe machen und sie herbringen. Ich werde euch mit dem Seil aneinanderbinden, damit ihr euch nicht verliert, und ich werde das Seil halten, damit es sich nicht verheddert. Bleib einfach ganz ruhig stehen.«
Zu Grace’ Überraschung tänzelte er zwar nervös umher, bockte jedoch nicht. In Windeseile band sie Hope das Tuch um Augen und Nüstern, brachte die beiden Pferde dicht zusammen und stellte sich zwischen sie.
Sie bekam kaum noch Luft. Überall wirbelten feine Sandkörner um sie herum und stachen in die Haut wie winzige Messer.
Sie band sich den Schal vors Gesicht, legte jedem Pferd einen Arm um den Hals und vergrub ihre Hände in den Mähnen der Tiere. »Bitte, geratet jetzt nicht in Panik«, flüsterte sie. »Es wird alles gut. Haltet einfach durch und habt keine Angst.« Sie versuchte, die Pferde so zu drehen, dass sie den Wind, der immer stärker wurde, nicht frontal abbekamen. Inzwischen musste sie sich schon an den Tieren festhalten, um nicht umgeworfen zu werden. Sie musste mit ihnen reden, irgendwas sagen, um sie zu beruhigen und davon abzuhalten, dass sie in Panik losrannten und sich womöglich ein Bein brachen.
Sie redete. Sie sang. Sie sagte Kinderreime auf.
Kilmer, wo bleibst du?
»Verdammt, wo steckt sie?« Marvots Hände umklammerten das Fernglas. »Ich kann das Miststück nicht mehr sehen.«
»Ein Sandsturm«, sagte Hanley.
»Ich weiß, dass es ein Sandsturm ist«, fauchte Marvot. »Aber ich möchte wissen, wann er sich wieder legt.«
Hanley zuckte die Achseln. »In einer Stunde vielleicht. Morgen. Nächste Woche. Soweit ich weiß, kann man das nicht vorhersagen.«
»Verdammt. Sag Capriano, er soll sie holen.«
»Und wenn er sie nicht findet? Die Pferde werden in Panik geraten und –«
»Er soll sie holen!«
Hanley nickte und versuchte, die Tür des Wohnmobils zu öffnen. Der Wind schlug sie sofort wieder zu. »Verdammter Mist.« Mit aller Kraft versuchte er es noch einmal. »Ich muss –« Sein Handy klingelte, und er nahm das Gespräch entgegen. »Hanley.« Er lauschte. »Dieser Hurensohn. Wenn Sie zulassen, dass sie das Kind befreien, sind Sie dran.« Er drückte das Gespräch weg. »Angriff auf das Basislager in der Oase.«
»Kilmer.«
»Wahrscheinlich«, sagte Hanley. »Vielleicht hat er keine Ahnung, dass Archer nicht dort ist.«
»Oder er weiß es doch. Vielleicht ist er längst bei ihr da draußen.« Marvot überlegte. »Womöglich hat das Miststück mich reingelegt. Wir fahren zurück zur Oase. Sag allen Bescheid, dass sie die Frau vergessen und sich wieder in der Basis einfinden sollen.«
»Wollen Sie sie einfach laufen lassen?«
»Meinen Sie nicht, dass sie dort auftaucht, um das Kind zu holen? Wir konzentrieren unsere Feuerkraft auf die Oase. Dann brauchen wir nur zu warten, bis Kilmer und Archer kommen, um die Kleine zu holen.«
»Wir benutzen die Kleine also als Geisel?«
»Allerdings. Aber niemand hält mich ungestraft zum Narren.« Er ließ den Motor an. »Wenn sie zur Oase zurückkehrt, wird sie ihr blaues Wunder erleben. Dann werden wir ja sehen, wie es dem Miststück gefällt, wenn ihrer Tochter ein paar Finger fehlen.«
Schüsse!
Frankie drückte sich in der Ecke des Schuppens dichter an Maestro.
»Keine Angst, mein Kleiner«, flüsterte sie und legte dem Fohlen die Arme um den Hals. »Ich werde nicht zulassen, dass dir jemand wehtut.«
Das Fohlen wieherte leise.
War Marvot auf dem Weg zu
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