Gnadenlose Jagd
Es war ein ziemliches Tauziehen, und irgendwann wurde die CIA von mehreren Kongressabgeordneten unter Druck gesetzt, El Tariq auszuheben.« Er hob eine Hand, als sie etwas sagen wollte. »Ich weiß. Das ist genauso absurd wie alles andere an der Entführungsaktion. Wir haben uns doch damals beide gefragt, was die CIA mit den Pferden vorhatte, als wir den Befehl erhielten, sie zu entführen. Aber wie pflichtbewusste Arbeiterbienen haben wir den Befehl ausgeführt.«
»Von wegen pflichtbewusst, damit hattest du doch noch nie was am Hut.«
»Im Gegenteil, ich betrachte es als meine absolute Pflicht, einen Auftrag ordentlich auszuführen. Das heißt nicht, dass mir keine Zweifel gekommen wären, wenn ich die Pferde erst mal in meine Gewalt gebracht hätte.« Er zuckte die Achseln. »Aber dazu kam’s ja nicht, weil die ganze Sache schiefgelaufen ist. Und danach war ich jahrelang nicht in der Lage, die Angelegenheit weiterzuverfolgen.« Er holte tief Luft. »Aber ich habe es nie vergessen, Grace.«
Nein, er würde niemals vergessen, und er würde nicht ruhen, bis er bekam, was er wollte. »Und hat der Kongress seine Meinung in Bezug auf Marvot einfach geändert?«
»Wahrscheinlich mit Hilfe einer gewaltigen Erhöhung der Bestechungssumme. Donavan konnte mir nur sagen, dass sich am Ende eine Mehrheit für Marvot gebildet hatte. Dann, einige Jahre später, kam der 11. September, und alles ging drunter und drüber. Ich fange allmählich an, die Puzzlestücke zusammenzufügen. Ich bin mir sicher, dass North geglaubt hat, wenn er den Kongress vor vollendete Tatsachen stellt, werden die Abgeordneten ihn unterstützen. Aber es hat nicht sollen sein, wir haben versagt. Also durfte Marvot in El Tariq weitermachen und in etwa einem Dutzend schmutziger internationaler Aktionen mitmischen.«
Grace schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Es ist die Wahrheit. Frag North. Andererseits weiß ich nicht, inwieweit er dir heutzutage noch die Wahrheit sagen darf.«
»Es kann nicht wahr sein. Crane wollte mich als Lockvogel für Marvot benutzen.«
»Dann arbeitet Crane womöglich für Marvot und wollte dich ihm ausliefern. Oder er weiß nicht, wie stark die Lobbys im Kongress sind, die ihn um seinen Job bringen könnten.« Kilmer hob die Schultern. »So oder so kann ich nicht zulassen, dass er dich erneut in die Finger kriegt.«
»Zulassen? Das ist immer noch meine Entscheidung, Kilmer.«
»Nein, nur in Bezug auf Frankie überlasse ich die Entscheidung dir.« Er verzog das Gesicht. »Aber auch das fällt mir zunehmend schwer. Was die Frage angeht, ob ihr beide überleben werdet oder nicht, hast du nichts zu entscheiden, da wirst du bei mir auf Granit beißen. Ihr werdet überleben.« Er ging zur Tür. »Ich habe zu lange gewartet, um mich jetzt um den verdienten Erfolg bringen zu lassen.«
»Was zum Teufel bildest du dir eigentlich –«
Er war weg.
Und sie zitterte. Vor Wut? Vor Empörung? Oder vor Schreck? In ihrer Reaktion mischte sich alles drei. All die Jahre hatte sie geglaubt, die CIA hätte sie beschützt, weil die Firma daran schuld war, dass sie sich vor Marvot verstecken musste. Dass es einen Deal mit Kilmer gab, war ein Schock für sie. Sie wollte ihm nichts schuldig sein, verdammt. Und wie kam er dazu, sich einzubilden, er könnte aus heiterem Himmel auf den Plan treten und die Kontrolle über ihr Leben übernehmen? Gut, sie akzeptierte, dass er Frankie beschützen wollte, aber auf keinen Fall würde sie –
Sie holte tief Luft. Ruhe bewahren. Kilmer hatte sie schon immer aus der Fassung bringen können wie kein anderer. Das durfte nicht wieder passieren. Sie musste einen klaren Kopf bewahren und über das nachdenken, was er ihr erzählt hatte. Wenn das stimmte, konnte sie der CIA nicht trauen, selbst wenn sie eine Abmachung mit North träfe.
Und sie zweifelte nicht daran, dass Kilmer die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte sie noch nie belogen, diese Seite an ihm schätzte sie besonders. Sie konnte sich immer darauf verlassen, dass er ihr gegenüber offen und ehrlich war, wenn sie darum bat. Das Wissen darum, dass Ehrlichkeit ein Felsen war, an den sie sich in dem gewalttätigen Chaos, das sie umgab, klammern konnte, hatte ihr einmal ein tiefes Gefühl der Sicherheit gegeben.
»Ist das für Frankie?« Robert stand in der Tür und zeigte auf den Teller mit dem Knoblauchbrot. »Soll ich es ihr bringen?«
Grace schüttelte den Kopf. »Ich mach das schon.« Sie lächelte. »Und? Hast du in den Bergen irgendwelche Wölfe
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