Götterbund (German Edition)
solange sie noch konnte. Wenn sie sich jetzt umdrehte und nach Hause ginge, wäre alles in Ordnung.
Yanna schüttelte den Kopf. Wem wollte sie das eigentlich einreden? Es war nicht alles in Ordnung. Wenn sie nach Hause ging würde Malyn ihr morgen früh die nächste Lüge auftischen. Das musste ein Ende haben.
„Komm. Wir sind fast da.“
Yanna sah auf und bemerkte, dass Lyza bereits dabei war, die Stufen zum Palast zu erklimmen. Mit den Lügen würde es ab heute Nacht vorbei sein. Entschlossen folgte Yanna der Gardistin.
Oben angekommen umrundeten sie die von unzähligen Fackeln erleuchteten Palastmauern. Der große Platz zwischen Palasteingang und Tempel war heute leer. Keine Menschenmenge, kein roter Teppich, kein Scheiterhaufen.
„Yanna, komm!“
Die junge Frau suchte im Dämmerlicht nach Lyzas Gestalt. Dabei fiel ihr Blick zum Palasteingang und ihr stockte der Atem.
Nicht nur Shaquess wartete dort oben. Neben ihm stand Rajatshas, die Augen fest auf sie gerichtet.
Yanna erstarrte. Unfähig, einen Ton von sich zu geben, sah sie entsetzt zu Lyza, die in einigem Abstand zum Palasteingang stehen geblieben war. Doch die Gardistin ignorierte die Rebellin, verschränkte lässig die Arme vor der Brust und sah abwartend zum König und dem Taissin hoch.
„Was geht hier vor?“, rief Yanna laut über den Platz hinweg.
„Hat Lyza dir das etwa nicht gesagt?“, fragte Rajatshas gespielt überrascht. Langsam kam er die Stufen hinunter, den Blick keine Sekunde von Yanna abwendend. Kurz durchzuckte die junge Frau dasselbe Gefühl wie bei der Trauerfeier. Die Welt, alle Menschen, alle Sorgen verschwanden für den Augenblick und ließen nur sie und Rajatshas zurück.
Dann richtete der König den Blick auf Lyza und der Moment war vorbei.
Yanna holte tief Luft und ließ diese dann langsam entweichen. Sie musste einen klaren Kopf behalten, um aus dieser Situation unbeschadet und möglichst in Freiheit wieder herauszukommen. Was auch immer hier vorging: Der König schien mehr als zufrieden damit zu sein. Ganz im Gegensatz zu Shaquess. Der Taissin, der hinter Rajatshas die Treppe hinunter gekommen war, warf Lyza einen nicht allzu freundlichen Blick zu. Die Gardistin antwortete mit einem Achselzucken.
„Was ist hier los?“, wiederholte Yanna.
Rajatshas und Shaquess standen jetzt mit Lyza auf einer Höhe, aber noch in einigem Abstand zu Yanna. Sie hatte noch eine Chance.
Der König lächelte. „Du bist verkauft worden. Oder besser gesagt: Eingetauscht.“
Yanna folgte seinem Blick und kam bei Lyza an. „Was?“
„Ich finde dich sympathisch, ehrlich“, beteuerte die Gardistin. „Aber die Aussicht, endlich frei zu sein, war einfach zu verführerisch.“
„Frei zu sein?“
„Nicht mehr Gardistin sein zu müssen. Du machst das für mich möglich. Im Tausch gegen dich darf ich die Garde ganz legal verlassen, ohne danach befürchten zu müssen, auf die Liste der Gesuchten gesetzt zu werden.“
Yanna schwirrten unzählige Fragen im Kopf herum. Sie sah von Lyzas offener Miene zu Rajatshas‘ gelassener Fassade. Doch letztendlich blieb ihr Blick an den missgelaunten Zügen von Shaquess hängen. „Was geht hier vor?“
Der Taissin warf Rajatshas einen kurzen Blick zu. Der König schüttelte den Kopf. Shaquess seufzte und sah Yanna an. „Du weißt bereits, dass Malyn dir etwas verheimlicht. Es geht darum, wer du bist. Um deine Identität.“
„Das klären wir später!“, unterbrach Rajatshas in diesem Moment. Er wandte sich an Lyza. „Du hast uns das Mädchen gebracht. Damit bist du frei. Geh.“
„Es war nett, mit Euch Geschäfte zu machen.“ Lyza wandte sich ab. Sie entfernte sich ein paar Schritte, dann blieb sie stehen und sah noch einmal zu Yanna zurück. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Yanna verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie fragend an. „Was willst du noch?“
Lyza zuckte mit den Achseln, blieb aber, wo sie war.
Yanna wandte sich von der Gardistin ab und fixierte den König. „Was willst du von mir?“
„Das klären wir im Palast.“
„Und wenn ich es nicht im Palast klären will?“
Rajatshas antwortete nicht. Doch sein ruhiger, aber unnachgiebiger Blick sagte eindeutig, dass er nicht bereit war, darüber zu diskutieren.
„Bin ich deine Gefangene?“
Darüber schien Rajatshas einen Moment nachzudenken. „Vorerst, ja“, sagte er schließlich. „Doch dies ist kein Zustand, der von Dauer sein muss.“
Yanna ließ den Blick schweifen. Außer Shaquess
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