Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Gesundheit, Lupin?«
»Hast du schon wieder Ärger, Bebon?«
»Mehr oder weniger.«
»Mehr mehr oder eher weniger?«
»Es könnte besser sein.«
»Mit den Ordnungshütern?«
»Du kennst sie doch: Verdächtigungen, nichts als Verdächtigungen.«
»Geht es diesmal um eine Frauengeschichte oder einen kleinen Diebstahl?«
»Nichts dergleichen. Ich bin wegen eines Freundes hier.«
Der Handwerker unterbrach seine Arbeit nicht.
»Hast du ihn mitgebracht?«
»Man verdächtigt ihn zu Unrecht.«
»Wegen was?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Ja, allerdings.«
»Manchmal ist es besser, wenn …«
»Was soll dein Freund verbrochen haben, Bebon?«
»Man hält ihn für einen Mörder.«
Mit großem Fingerspitzengefühl und ohne zu zittern malte der Künstler die Umrisse der Augen von Taweret.
»Ein Mord oder mehrere?«
»Alle Übersetzer von Sais.«
»Oh!« Lupins unterdrückter Ausruf zeugte von echter Empörung. Falls er seinem Zorn freien Lauf lassen sollte, war es besser, sich schnell aus dem Staub zu machen.
»Wer so einem Verbrecher hilft, muss sehr mutig sein«, meinte er aber nur.
»Ich bin fest davon überzeugt, dass er unschuldig ist. Der Schreiber Kel wurde Opfer übler Machenschaften.«
Endlich legte der Handwerker die Maske der Göttin beiseite und stand auf.
»Zeig ihn mir, deinen flüchtigen Schreiber.«
Kel trat zu ihm, und Lupin sah ihn sich gründlich an.
»Ich nehme an, ihr wollt hier schlafen?«
»Ja, wenn wir dich nicht stören.«
»Hinten beim Stall sind zwei Schlafmatten. Hunger habt ihr wahrscheinlich auch?«
»Na ja, wenn du ein Stück Brot übrig hast …«
»Ich habe gerade Lupinenbohnen gekocht. Das ist mein Leibgericht. Und das Bier ist auch nicht schlecht. Wie lange wollt ihr denn bei mir bleiben?«
»Das liegt an dir … und daran, ob du uns noch einen anderen Gefallen tun kannst.«
»Aha!«
»Keine Sorge, nichts Gefährliches«, beruhigte ihn der Schauspieler.
»Ich höre.«
»Wärst du bereit, mit Nitis, der Oberpriesterin der Göttin Neith, zu sprechen? Sie glaubt ebenfalls an Kels Unschuld, und wir brauchen unbedingt ihre Hilfe. Jetzt fragt sie sich vermutlich, ob er überhaupt noch am Leben ist. Vielleicht weiß sie auch einen sicheren Unterschlupf für uns.«
»Ich kenne diese Priesterin nicht.«
»Nordwind, unser Esel, wird dich zu ihr führen. Behaupte einfach, du müsstest ihr eine Maske bringen.«
Lupin sagte nicht nein.
»Jetzt essen wir erst mal, und dann wird geschlafen, Morgen geh ich dann zum Tempel.«
Konnte Kel sich aus dieser Falle befreien? Würde er Nitis je wiedersehen? Umgeben von so vielen göttlichen Gesichtern genoss er eine kleine Atempause, ehe er wieder fliehen musste.
Als sich Lupin mit Nordwind auf den Weg gemacht hatte, gestand er Bebon seine Bedenken.
»Glaubst du nicht, dass uns dein Freund verraten wird?«
»Kann schon sein.«
»Kennst du ihn wirklich gut, diesen Lupin?«
»Ich glaube schon.«
»Für meine Ergreifung gibt es bestimmt eine schöne Belohnung.«
»Ja, mit Sicherheit.«
»Also los, nichts wie weg!«
»Sobald wir hier rausgehen, werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach verhaftet. Vielleicht hat mir Lupin geglaubt. Und wenn er Nitis sieht, wird sie ihn überzeugen.«
»Wenn er aber gleich zum nächsten Wachposten geht, werden wir bald umzingelt sein und keine Möglichkeit mehr zur Flucht haben.«
76
M itten in der Nacht fuhr König Amasis aus dem Schlaf auf.
Sofort stand er auf und rief nach seinen Wachen, die ihn erschrocken grüßten.
»Holt mir den Siegelbewahrer Udja.«
Der ließ sich nicht lange bitten. Es musste einen ernsten Grund dafür geben, dass ihn der König mitten in der Nacht zu sich rief.
»Ich hatte einen Traum«, sagte der Pharao, »dessen Bedeutung ich sofort in die Tat umsetzen muss. Wir verehren die Urahnen nicht genug, Siegelbewahrer. Unsere Handwerker und Künstler bilden zwar vieles aus dem goldenen Zeitalter der Pyramiden nach, aber wir haben nicht daran gedacht, die Denkmäler dieser ruhmreichen Zeit wiederherzustellen. Diese Nachlässigkeit muss auf der Stelle ein Ende haben. Wir fangen mit dem Tempel der großen Cheops-Pyramide an, zu dem meine Seele heute Nacht gereist ist und gesehen hat, in welchem Zustand des Verfalls sich manches befindet. Diese üble Vernachlässigung könnte den Fluch einiger verstorbener Pharaonen auf uns ziehen. Sobald der Tag anbricht, rufst du die besten Ritualisten und Steinmetze von Sais zusammen, damit sie noch am Abend nach Memphis
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