Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)
des Gecken wechselte zu Aschfahl. Er umklammerte seinen Bogen fester.
»Wo bleibt ihr?« Basterro lief bereits die Piste hinab. »Einen Gott lässt man nicht warten!«
Bis zur ersten Fackel mussten sie sich wie Blinde vorantasten. Dort erst entfachten sie die Äste, die sie mit sich gebracht hatten. Im Feuerschein erkannte Corellius seine eigene Angst in den Gesichtern der übrigen Eskorte wieder.
Die Angst, dass sich unverhofft ein Messer in den Rücken bohrte; dass sich hinterrücks lautlos ein Ungeheuer näherte. Selbst im tiefsten Orchonhain hatten sie ihre Feinde zumindest über einige Schritte kommen sehen. Hier nicht. Hier konnte sich ihnen alles Erdenkliche unbemerkt nähern. Ein Gedanke, der ein Kribbeln in Corellius' Nacken auslöste.
Ein Schwarm Fledermäuse flatterte an ihnen vorbei in die Tiefe, begleitet von schrillen Rufen. Vor Schreck rutschte einer der Wächter aus. Mit rudernden Armen taumelte er am Rand des Abgrunds. Galeon bekam ihn gerade noch an seinem Halstuch zu packen und zerrte ihn zurück.
Das schnitt dem Wachmann die Luft ab, war ihm in diesem Moment aber völlig egal. »Danke!«, japste er und rieb sich über die Kehle.
»Hoffen wir, dass diese Viecher das einzige bleiben, was uns hier unten das Fürchten lehrt.« Corellius ließ die Fingerknöchel knacken. »Kommt! Weiter!«
Die Fackeln hoch über ihre Köpfe erhoben, stiegen sie weiter den abschüssigen Pfad hinab.
In den Felsnischen entlang des Weges schimmerten ab und an Helme und Brustpanzer. Von Spinnweben überzogen, von Rost befleckt und verbeult. In manchen von ihnen steckten noch die vergilbten Skelette ihrer Träger.
»Seht ihr diese Spangen an den Helmen und die feine Ziselierung am Visir?« Galeon deutete auf eine bronzene Rüstung. »Die stammen noch von der alten Zylon-Schmiededynastie. Das heißt, diese Unglückseligen sind Angehörige der vorvorletzten Eskorte gewesen. Damals hat man noch mehr in die Dicke der Rüstungen vertraut und nicht auf die Bewegungsmöglichkeiten in ihnen.«
»Von denen sind doch nur zwei zurückgekehrt«, meinte Jalina. Eine tiefe Falte zog sich über ihre Stirn, die Corellius zuvor noch nie aufgefallen war. »Wo sind die Leichen der übrigen?«
Galeons Kiefermuskeln malmten, aber er gab keine Antwort. Als Hauptmann der Wache kannte er wohl viele Geheimnisse und noch mehr Gerüchte über die Leeren Lande. Doch er schien damit zu hadern, sie mit diesem Wissen zu ängstigen.
Corellius erinnerte sich an das Gespräch mit Voxlar zurück. An die Worte, die die halb wahnsinnigen Überlebenden immer wieder gesagt hatten.
Sie zerren es aus mir
» Sie zerren es aus mir! « - Dieser Satz allein, in Verbindung mit ein wenig Vorstellungskraft, genügte schon, um einem gestandenen Mann die Knie schlottern zu lassen. Das Schlimmste schien dabei zu sein, dass niemand wusste, was mit »es« gemeint war. Am liebsten würde Corellius die Antwort auf diese Frage nie erfahren.
»Wodurch ist 'n dieses Erdloch überhaupt entstanden?«, fragte Ulme und riss sie damit allesamt aus ihrer Beklommenheit.
»Orchons Macht hat es geformt«, entgegnete Basterro, die Arme ausgebreitet. »Hier unten ist er fernab der Nichtigkeiten dieser Welt und kann sich allein auf seine göttliche Meditation konzentrieren.«
Wie kann man nur so sehr ein Wesen lieben, das damit droht, einen auszulöschen , fragte sich Corellius. Er würde erst anfangen, zu Orchon zu beten, wenn sie wieder sicheren Boden unter ihren Füßen hätten.
Auf ihn wirkte der Trichter wie einer der Krater, die Kanonengeschosse rissen. Je tiefer sie hinabstiegen, desto weniger Wurzelwerk ragte aus der Erde. Nacktes Gestein übernahm die Oberhand, überwuchert von einem Moos, das in der Finsternis gelblich schimmerte. Die Abstände zwischen den Fackeln gerieten immer größer.
Ulme schnupperte. »Hier riechts wie in den Tiefenarkaden von Sichelstadt.«
»Wenn nicht sogar noch übler«, entgegnete Corellius. Selbst in der großen Kloake der Hauptstadt stieg einem nicht so ein penetranter Fäulnisgestank in die Nase.
Aus der Tiefe drang ein rhythmisches Stampfen, ganz so, als würde am Grunde des Trichters ein Koloss einen Totentanz abhalten.
»Was ist dieses Geräusch?«, fragte Corellius abermals Galeon.
»Wenn ich das wüsste … Könnte das Orchon sein?«
»Möglich. Es ist verboten, uns ein Bildnis von ihm zu machen, also weiß auch niemand um seine wahre Erscheinung«, schwadronierte Basterro. »Deshalb ist es den Angehörigen der Eskorte auch
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