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Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Schütz
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noch?«, fragte Corellius.
    Wachhauptmann Galeon hatte zu ihnen aufgeschlossen. Er war so in blutdurchtränkte Verbände eingewickelt, dass er an eine der Mumien erinnerte, die in den Grabmälern jenseits der Akythischen Meerenge ruhten.
    »Für solche Fragen müssten wir den werten Mellio bei uns haben«, entgegnete er mit gesenkter Stimme. »Ein schmerzhafter Verlust.«
    Seit ein paar Hundert Schritten lichtete sich der Urwald. Die Titanenbäume gerieten immer kleiner und weniger belaubt, bis sie beinahe nicht mehr ihrem Namen gerecht wurden. Erst fleckenweise, dann in Flächen, so groß wie Äcker, wich das Unterholz zerklüftetem Fels. Fahles Mondlicht lugte öfter zwischen den Lücken im Blätterdach hervor.
    »Wir nähern uns auf jeden Fall«, krächzte Basterro. »So wird der Rand des Trichters in den Schriften der alten Zeremonienmeister beschrieben.«
    »Wird da auch noch mehr beschrieben?«, fragte Corellius. Vielleicht konnte sich der Tattergreis jetzt einmal als nützlich erweisen.
    Basterro schüttelte den Kopf. »Diese Aufzeichnungen sind in erster Linie nicht praktischer, sondern spiritueller Natur. Sie beschreiben diese Reise als eine Pilgerfahrt zur Erleuchtung.«
    »Na, dann hoffe ich, dass ihr sie bald finden werdet«, raunzte Corellius. Spontan fielen ihm drei Dutzend Orte ein, wo man eher Erleuchtung finden konnte als hier.«
    Orchon war kein gütiger Gott. Ganz im Gegenteil, er war sogar ein äußerst fordernder. Einer, dessen Gunst sich ein Gläubiger mühsam erarbeiten musste.
    Die Orchosakra, in denen der Weltendroher verehrt wurde, glichen eher riesigen Basaren. Dort bahrten seine Anhänger Brot, Früchte, Wein, Schmuck und Samt in unzählbaren Menge auf. Die Orcholyten, die – anders als die Orchologen – den Gott nicht erforschten, sondern sein Wort verkündeten, hatten sogar einen Katalog erstellt, der Auskunft gab, wie viel segensreiche Zeit eine Opfergabe einbrachte.
    So sorgte ein einfacher Apfel für einen halben Tag göttlichen Zuspruch, während ein Goldohrring bereits eine ganze Woche vor Unheil schützte.
    Damit die Tempel nicht vor Gaben überquollen, entfernten die Orcholyten regelmäßig welche. Was dann mit ihnen geschah, entzog sich dem Wissen der allermeisten. Ein Bruchteil floss in die Armenspeisung, das Allermeiste aber in die Taschen der Gottesdiener.
    Nicht nur deshalb hatte diese Art von Verehrung einen üblen Nachgeschmack für Corellius. Er hatte schon genug reiche Bankritter umgelegt, deren Diener wöchentlich einen Teller voll Binaren ins Orchosakra schleppten.
    Wie die letzten Ausläufer eines Gebirges rankte noch ein wenig Gestrüpp zu beiden Seiten des Trampelpfades. Vor ihnen wölbten sich Qualmwolken gen Nachthimmel. Sie entstiegen einem gähnenden, schwarzen Schlund. So groß, dass die gesamte Westwindfestung mühelos in ihm verschwinden könnte.
    »Der Trichter«, murmelte Galeon ehrfürchtig.
    Corellius streckte den Zeigefinger aus. »Was ist das für ein Qualm, der von ihm aufsteigt?«
    »Die Dünste des Geistermeeres«, schwadronierte Basterro im Stile eines Predigers. »Der Trichter führt so weit in die Tiefe, dass manche Felsspalten sogar in die Unterwelt führen.«
    »Dann haben wir es ja nicht mehr weit, wenn wir dort unten das Zeitliche segnen sollten.« Ulme zog die Mundwinkel in die Höhe.
    Hinter sich hörte er ein schweres Seufzen.
    Es war Jalina.
    Als Corellius ihr zulächelte, versuchte er eine Balance zu finden: Aufmunternd, aber nicht so sehr, dass es auffällig wirkte.
    »Bereit?«, fragte er.
    »Schon mein ganzes Leben.« Ihre Worte klangen stumpf. Sie nestelte an ihrem Kleid.
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren! Voran!« Die Erwartung, bald seinem Gott gegenüberstehen zu dürfen, schien Basterro neue Lebenskraft zu bescheren. Auf seinem Stock gestützt, hinkte er voraus.
    Sie folgten ihm, von den schieren Ausmaßen des Trichters ins Schweigen versetzt. Seine Schwärze war so vollendet wie die des Nachthimmels. Galeon hob ein Steinchen auf und warf es hinein. Sie lauschten für einige Momente, hörten aber keinen Aufprall.
    An den Seiten des Schlunds leuchteten Fackeln, so vereinzelt und weit voneinander entfernt wie Sterne. Sie deuteten den Weg in die Tiefe an, der spiralförmig am Rand entlangführte.
    »Wer sorgt dafür, dass die Fackeln brennen?«, fragte Asht.
    Über Galeons vierschrötiges Gesicht glitt ein Schatten. »Das willst du nicht wissen, Junge. Bete zu dem da unten, dass wir sie nicht treffen werden.«
    Die Gesichtsfarbe

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