Goettin - Das Erwachen
hirnlose, ihr ergebende Zombies erschaffen zu können, ängstigte sie. Diese Art von Macht wollte sie nicht haben. Wieder kamen ihr Liams Worte in den Sinn. Ultimative Macht korrumpiert ultimativ.
Sie streckte ihren verspannten Rücken durch und ächzte leise. Jeder Muskel brannte noch immer. Das hatte mit dem zweiten Teil ihres täglichen Trainingsplans zu tun. Nach Thomas Angriff war ihr klar geworden, dass sich auch gegen Menschen verteidigen musste. Also war ein großer Bestandteil ihrer Tagesaufgaben Kampftraining geworden. Wie bei allem Anderen hatte sie in Liam auch hier einen kompetenten Lehrer gefunden.
Allerdings hatte dies auch andere Auswirkungen. Sie schlief zwar fast immer bei Liam, aber so wie er sie schindete, fiel sie jeden Abend wie tot neben ihm ins Bett. Sie wusste, dass es Liam auch nicht anders erging. Er musste nebenher noch einen Club managen und sie sah ihm an, dass er auch mehr Schlaf gebrauchen könnte. Offenbar hatten sie die Siebter-Himmel-Phase einfach übersprungen und waren direkt mit dem Alltag gestartet. Romantik und Zärtlichkeit mussten sich wohl erst mal hinten anstellen.
Gleichzeitig drehten alle ihre Köpfe zur Tür, die in die Privaträume führte. Verwirrt sah Lee sich um. „Was ist?", fragte sie leise. Bevor sie eine Antwort bekam, schwang die Tür auf und Liam kam mit Miriam im Schlepptau herein. Wo kam die denn her? Miriam wirkte völlig hysterisch und auch Liam schien angespannt. Seine gelassene Tonlage passte überhaupt nicht zu dem Bild. „Es sind Vampire in der Stadt." Alle sprangen auf und auch Lee war plötzlich wieder hellwach. Liam hob die Hände. Er strahlte dabei eine Dominanz und Ruhe aus, dass Lee wie die Anderen erstarrte und still war. Außer Mario. Der wimmerte leise neben ihr. Liam sah mit sie einem durchdringenden Blick an, während er sagte: „Geh! Bring deine Familie in Sicherheit." Ohne zu zögern rannte Mario zum Hintereingang. Nun löste Liam seinen Blick von ihr und sah sich kurz um. Immer noch schwiegen alle. Lee wurde klar, dass sie auf Befehle warteten.
Schon erhob sich Liams Stimme wieder. „Ihr bleibt hier, bewaffnet euch und schließt ab. Ich werde eine Runde drehen und sehen, ob sie noch hier sind oder nur auf der Durchreise waren." Sofort setzte konzentrierte Geschäftigkeit ein. Pino fing an die Flaschen aus den Regalen zu räumen und Frank half ihm dabei. Die Flügeltür krachte zu, nachdem sie Nick zuschlug. Miriam sah aus, als würde sie sich jeden Moment vor Liam auf die Knie werfen und anfangen ihn anzubeten, oder ihm anbieten er solle sie nehmen, bevor er in die Schlacht zog. Lee konnte sich nicht verkneifen, leicht den Kopf zu schütteln. Die Schlampe war doch völlig durchgeknallt. Sie konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche und sprang auf die Beine. Sie würde nicht dabei zusehen, wie sich Liam völlig alleine und unterlegen gegen einen Vampir stellte. „Du gehst nicht alleine!", stellte sie klar. Miriam schnappte erschrocken nach Luft und hielt sich die Hand vor den Mund. Wieder verdrehte Lee die Augen. Ja, sie würde sich gegen den allmächtigen Alpha auflehnen. Liam sah sie kurz verwirrt an, dann fixierte er sie mit einem Ausdruck purer Dominanz. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man seine Befehle infrage stellte. Aber das war ihr herzlich egal. „Du bleibst hier!", stellte er mit eiserner Miene fest. „Zwing mich, Wolf!", forderte sie ihn heraus. Kurz wirkte er, als hätte er genau das vor. Dann trat Resignation in seine Augen. Es war ihm wohl bewusst geworden, dass er genau das, trotz all seiner Kraft, nicht konnte. Trotz der angespannten Situation konnte Lee sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er konnte sie zu nichts zwingen!
Seine Augen sprühten fast Funken vor Wut, als er wieder sprach. „Chris, gibt ihr die mit verringertem Abzugswiderstand." Nun stellte sich auch Chris gegen ihn, allerdings aus einem anderen Grund. „Du bringst sie um!", knurrte der Luchs. Immer noch starrte Liam sie an. „Sie ist nicht Teil dieses Rudels. Ich kann ihr nichts befehlen, selbst wenn ich das will." Lee unterbrach den Augenkontakt und sah sich nach Chris um. Er stand hinter der Bar. Dort wo vorher Regalböden mit Flaschen gewesen waren, sah sie eine große Öffnung in der Wand. Es hingen und lagen darin genug Waffen und Munition, um die komplette Stadt plattzumachen. Sie wunderte sich nicht über die Innenausstattung, die sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Sie hatte das schon fast erwartet. Immerhin herrschte
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