Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
wiederholte Lucas und suchte erneut den Blickkontakt zu Helen. In ihm glomm ein Fünkchen Hoffnung auf, aber Helen teilte seine Freude nicht – ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos und sie wandte den Blick von ihm ab.
»Vier Häuser in drei Erben«, verkündeten die drei Stimmen des Orakels in ihrem Singsang. »Die unter einem Unstern geborenen Liebenden haben die Blutlinien bewahrt. Und diese drei werden Atlantis heben.«
Plötzlich herrschte Stille im Raum, ähnlich der Pause zwischen einem grellen Blitz und dem dröhnenden Donner, der unweigerlich folgen musste.
»Sibylle!«, sagte Daphne unerwartet und sprach Cassandra damit mit dem ältesten Titel des Orakels an. »Ich bitte dich, mir zu antworten! Wie können sich die Scions von den Furien befreien?«
»Sie kann sie noch nicht beherrschen!«, rief Castor entsetzt, aber Daphne war so verzweifelt, dass es für sie kein Halten mehr gab. Helen fiel wieder ein, wie schnell Daphne eingewilligt hatte, mit Lucas ins Haus von Theben zu kommen, und sie erkannte, dass es dies war, was sie die ganze Zeit geplant hatte.
Castor packte Daphnes Arm und zerrte sie von seiner Tochter weg, aber es war zu spät. Die Parzen waren in den Körper des Orakels zitiert worden, um eine direkte Frage zu beantworten, und sie ließen sich nicht aufhalten. Cassandras Mund glühte, ihre Haare wanden sich wie ein Nest voller Schlangen, und ihr Kopf ruckte nach hinten. Ihre Augen wurden trüb und die Haut faltig. Eine alte Frau bahnte sich mit Gewalt einen Weg durch die Hülle des Mädchens, als würde sie einen Schleier zerreißen. Krampfartig verwandelte sich die Alte in eine andere und dann in eine dritte und gleichzeitig begannen die vielen Stimmen zu sprechen.
»Der Deszendent muss hinabsteigen zu jenen, die nicht vergeben und nicht vergessen können. Der Deszendent wird die drei von ihrem Leid erlösen und die Häuser vom Teufelskreis von Blut für Blut befreien«, sagten sie und verstummten mit einem Schlag.
Cassandras Kopf richtete sich wieder auf. Die Falten glätteten sich, und die Augen wurden wieder klar, aber die unheimlichen Gestalten waren immer noch in ihr. Daphne befreite sich aus Castors Griff und näherte sich dem Orakel mit verschränkten Armen und ehrfürchtig an die Brust gedrückten Handflächen.
»Das Haus des Atreus steht in deiner Schuld, Sibylle«, verkündete Daphne und erfüllte ihren Teil des Rituals mit einer tiefen Verbeugung.
»Und das Haus des Atreus wird sie begleichen, wenn es gefordert wird«, antwortete das Orakel, bevor das Glühen endgültig erlosch und Cassandra wieder sie selbst wurde. Alle sahen Daphne schockiert und wütend an.
»Es tut mir leid, aber es musste sein«, verteidigte sie sich flüsternd.
»Du hättest sie töten können«, fuhr Lucas sie an und ballte die Fäuste. »Sie ist noch zu jung.«
»Wenn der Teufelskreis der Rache nicht endlich durchbrochen wird, hat sie ohnehin keine Zukunft. Keiner von uns«, murmelte Daphne, die Lucas nicht in die Augen sehen konnte.
»Sie hat recht«, unterbrach sie Cassandra. »Die Dinge werden sich ändern, eine Prophezeiung ist ausgesprochen, und ob es euch gefällt oder nicht, ich bin das Orakel. Ich kann mich nicht länger verstecken.«
»Vielleicht nicht«, sagte Castor. »Aber beim nächsten Mal entscheiden wir gemeinsam, welche Fragen wir stellen wollen und wann sie gestellt werden.« Er zeigte drohend mit dem Finger auf Daphne. »Noch so ein Trick wie dieser, und ich sorge dafür, dassdu nicht mehr lange genug lebst, um die Antwort der Sibylle zu hören.«
Daphne nickte. Ihre schuldbewusste Miene beschwichtigte Castor, aber Lucas war nicht von ihrer Reue überzeugt. Er hatte diesen Ausdruck schon bei Helen gesehen und wusste genau, wie unecht er war. Er sah zu Helen hinüber. Ihr war es auch aufgefallen und sie tauschten einen besorgten Blick.
Cassandra war müde und Pandora brachte sie nach oben. Ariadne ging in die Küche, um nach Matt zu sehen, der immer noch ein paar Beulen und blaue Flecke kühlte, während Noel ihm in einem Crashkurs alles über Halbgötter beibrachte. Lucas bedeutete Helen mit einer Kopfbewegung, ihm ins Nebenzimmer zu folgen. Sie schüttelte den Kopf, aber er hatte sich schon abgewandt und ging auf die Tür zu. Sie musste ihm folgen.
Er führte sie in einen Teil des Hauses, den sie noch nicht kannte. Es war der Flügel gegenüber dem Büro seines Vaters. Auf ihrem Weg durch die leeren Flure und vorbei an den unbewohnten Zimmern sah sie, wie Lucas den
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