Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Außenbeleuchtung war kaum mehr als dekorativ, zu blaß, um in der zunehmenden Finsternis einladend zu wirken.
    Der uniformierte Polizist machte mir die Tür auf, und ich betrat die Halle. Die Tür zur Bibliothek stand offen, und ein Lichtstrahl erhellte die Umrisse eines tortenstückförmigen Teils des Parkettfußbodens. In Anbetracht der Stille im Haus nahm ich an, daß die Kriminaltechniker schon wieder weg waren: die Experten für Fingerabdrücke, der Fotograf, der Tatortzeichner, der Gerichtsmediziner und die Sanitäter. Tasha erschien in der Tür. »Ich habe dich ankommen sehen. Wie geht’s?«
    Ich sagte »gut« in einem Ton, der sie dazu bewog, Abstand zu mir zu halten. Ich merkte, daß ich wütend war — auf sie ebenso wie auf die Umstände. Mord mit seinen hinterhältigen Tricks und Verstellungen macht mich zornig. Ich wollte Guy Malek zurückhaben, und mit einer etwas verworrenen emotionalen Logik machte ich ihr zum Vorwurf, was geschehen war. Wenn sie nicht meine Cousine gewesen wäre, hätte sie mich überhaupt nicht engagiert. Wenn ich nicht engagiert worden wäre, hätte ich ihn nicht gefunden, hätte nicht einmal gewußt, wer er war, hätte mich nicht um ihn geschert und hätte keinen Verlust erlitten. Sie wußte das ebensogut wie ich, und der Anflug von Schuldbewußtsein, der über ihr Gesicht glitt, spiegelte meine Miene wider.
    Für eine Frau, die überstürzt aus den Ferien abgereist war, war Tasha tadellos gekleidet. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug aus Gabardine mit einer taillenkurzen Jacke. Die schmale Hose ohne Aufschläge hatte einen breiten Bund und Kellerfalten. Auf der Jacke saßen Messingknöpfe, und um die Ärmel prangte eine dünne Goldborte. Irgendwie war ihre Aufmachung mehr als nur modisch. Sie wirkte frisch und autoritär, eine Anwältin in Gestalt einer zierlichen Militärpolizistin, die hier war, um alles in die rechten Bahnen zu lenken.
    Ich folgte ihr in die Bibliothek mit ihren Sitzgruppen aus brüchigem dunkelrotem Leder. Die roten Orientteppiche sahen zu dieser Tageszeit trist aus, und die hohen Bleiglasfenster waren vom eisigen Grauschleier der Dämmerung überzogen. Tasha schaltete zuerst mehrere Tischlampen an, während sie den Raum durchquerte. Nicht einmal der Glanz der dunklen Holztäfelung konnte dem kalten Steinkamin eine gemütliche Ausstrahlung verleihen. Der Raum war schäbig und roch so muffig, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Erst vor einer Woche hatte ich hier Bennet zum ersten Mal gesehen.
    Ich ließ meine Tasche neben einem Clubsessel stehen und ging ruhelos auf und ab. »Wer leitet denn die Ermittlungen? Du hast gesagt, es sei jemand hier.«
    »Lieutenant Robb.«
    »Jonah? Oh, wunderbar.«
    »Du kennst ihn?«
    »Allerdings«, antwortete ich. Als ich ihn kennengelernt hatte, arbeitete er in der Vermißtenstelle, aber die Polizei von Santa Teresa hat ein obligatorisches Rotationssystem, und die Detectives werden durch alle Abteilungen geschickt. Als Lieutenant Dolan in Pension ging, wurde ein Posten in der Mordkommission frei. Ich hatte einmal eine kurze Affäre mit Jonah gehabt, als er von seiner Frau getrennt lebte, was in ihrer stürmischen Beziehung häufiger vorkam. Sie gingen seit der siebten Klasse miteinander und waren zweifellos auf Lebenszeit füreinander bestimmt, wie Eulen, nur daß alle zehn Monate Phasen brutaler Entfremdung auftraten. Eigentlich hätte das Muster leicht durchschaubar sein müssen, aber ich war wie vernarrt in ihn gewesen. Wie nicht anders zu erwarten war, winkte sie ihm schon bald mit dem kleinen Finger, und er kehrte zu ihr zurück. Ab und zu begegnen wir drei uns in der Öffentlichkeit, und ich bin mittlerweile Expertin darin, so zu tun, als hätte ich nie in meiner Wonder-Woman-Bettwäsche mit ihm geschäkert. Vermutlich war er deshalb bereit, mich am Tatort zu dulden. Er wußte, er konnte sich darauf verlassen, daß ich den Mund hielt.
    »Was gibt’s zu erzählen?« wollte sie wissen.
    »Nichts. Vergiß es. Ich bin wohl ziemlich schlechter Laune, aber ich sollte es nicht an dir auslassen.«
    Ich hörte Schritte auf der Treppe und sah auf, als Christie hereinkam. Sie trug wuchtige Laufschuhe und einen blauen Trainingsanzug aus einem seidigen Material, der das Blau ihrer Augen noch betonte. Sie trug kaum Make-up, und ich fragte mich, ob das wohl die Aufmachung war, in der sie Guys Leiche entdeckt hatte. Die Bibliothek war wie das Wohnzimmer mit einer kompletten Bar ausgestattet: eine kleine Messingspüle, ein

Weitere Kostenlose Bücher