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Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Titel: Goldrausch in Bozen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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nie falsch vorhergesagt, doch an diesem Tag lag ich mit meiner Prognose völlig daneben. An diesem verdammten Tag, der unsere Pläne für unser zukünftiges Leben jäh zunichtemachte. Christel hatte sich voll und ganz auf mich verlassen, sich und ihr Leben mir anvertraut. So wie immer. Ich bin Bergführer und kenne das Gefühl, die Verantwortung zu tragen. Normalerweise macht mir das nichts aus, doch dieses Mal hatte ich mich im Wetter geirrt.
    Wir stiegen sofort wieder ab, aber das Wetter holte uns binnen weniger als einer Stunde ein. Meistens schneit es erst leicht, bevor ein Sturm losbricht, doch an diesem Tag ging es von einer Sekunde zur nächsten los. Ein ausgewachsener Schneesturm. Wir konnten kaum noch etwas sehen. Der Schnee peitschte uns ins Gesicht, Schmerzen wie von Nadelstichen. Und weil ich mir sicher gewesen war, dass die Sonne die ganze Zeit über scheinen würde, hatte ich nicht einmal ein Seil dabei. Ich konnte Christel also nicht sichern. Ich wies sie an, dicht hinter mir zu gehen. Immerhin hatten wir warme Sachen dabei, Handschuhe, Mützen, die Kälte war kein Problem. Aber dann habe ich irgendwann die Orientierung verloren. Auch das zum ersten Mal in meinem Leben. Ich nahm an, dass wir noch vor der heutigen Hochfeilerhütte vom Weg abgekommen und auf den Weißkarferner geraten waren, aber ich war mir nicht sicher. Ich bin lange vorwärtsgegangen, der Schnee war schon knöchelhoch. Keine zehn Meter weit konnte ich mehr sehen, immer habe ich darauf geachtet, dass wir nicht in einen Abgrund stürzen. Ich hatte doch keine Ahnung, wo wir waren. Ich hatte mich bestimmt zwanzig Minuten lang nicht umgesehen, mich nur auf meine Schritte konzentriert. Ich war mir so sicher, dass Christel hinter mir ist. Ich hätte es doch spüren müssen, wenn sie plötzlich nicht mehr da gewesen wäre! Aber ich habe nichts gemerkt, habe immer nur gedacht, dass wir heil da rauskommen. Dabei war es doch schon zu spät.
    Dann habe ich mich umgedreht, um Christel zu fragen, ob wir eine Pause machen oder doch lieber biwakieren sollen. Aber da war niemand. Nur Schnee und das Gebrüll des Sturmes. Ich habe versucht, dagegen anzuschreien, habe immer wieder Christels Namen in die undurchdringliche weiße Wand hineingerufen, die meine Stimme aber verschluckt hat. Ich bin zurückgegangen, wollte mich an unseren Spuren orientieren, aber nach höchstens zweihundert Metern waren meine Fußabdrücke bereits zugeschneit. In diesem Moment habe ich mich dem Schicksal ergeben. Ich bin marschiert, einfach nur bergab. Und ich habe es geschafft.
    Wir hatten so zurückgezogen gelebt, dass nur wenige Menschen Christel kannten. Denen, die nach ihr gefragt haben, habe ich erzählt, dass sie zurück nach Österreich zu ihrer Familie gegangen ist, weil es den Eltern immer schlechter gehe. Irgendwann würde sie zurückkommen. Niemand hat mir weitere Fragen gestellt.
    Da wir beide das Ahrntal so liebten, habe ich meine Hütte an diesem Platz gebaut. Und weil ich jeden Tag auf die Dreiherrenspitze schauen kann, unseren ersten gemeinsamen Berg. Jedes Jahr haben wir ihn am 23. August bestiegen, zu unserem Jahrestag. Es waren nur fünf.
    Über 31 Jahre lang bin ich weiterhin immer wieder auf den Hochfeiler gegangen und habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wo wir uns verlaufen haben könnten. Dutzende verschiedene Routen bin ich gegangen. Ich wollte Christel finden, die noch irgendwo da draußen sein musste. 31 Jahre quälender Ungewissheit. Nur die Natur hat mir Halt gegeben. Durch sie war Christel in gewisser Weise immer bei mir.
    Und dann ruft mich Markus Pircher an. Ich soll eine Führung übernehmen, in die Nordwestflanke des Hochfeiler. Genau die gleiche Tour, die ich ein paar Monate vorher bereits mit Michael, Georg und Sara gegangen bin. Markus war davon überzeugt, dass dort oben Gold zu finden sei, viel Gold. Aber das interessierte mich nicht. Was sollte ich denn mit Gold? Ich hatte hier alles, was ich brauchte. Doch plötzlich sah ich diese Schlucht vor mir, diese Wand, die in sie hineinführte, unmittelbar unterhalb des Einstiegs in den Stollen. Ich kann nicht sagen, warum, aber plötzlich wusste ich, dass Christel dort liegt. In all den Jahren, die ich sie gesucht habe, bin ich nicht auf diese Schlucht gekommen. Nie hätte ich gedacht, dass wir so weit vom Weg abgekommen sein könnten. Doch inzwischen habe ich begriffen, warum ich den Abgrund in all den Jahren nicht gefunden habe und wie Christel ums Leben gekommen sein muss.
    Der

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