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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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nach oben zu stemmen, doch er war stärker. Einen Moment lang fragte ich mich, ob es damit enden würde, ob ich schlicht und einfach an diesem schlammigen Ufer erstickt werden würde, ob Parrishs Pläne für mich letztlich doch nicht so raffiniert waren.
    Er riss meinen Kopf an den Haaren nach oben. Ich schnappte keuchend nach Luft. Er stieß mein Gesicht wieder nach unten.
    Beim vierten Mal wollte ich nur noch Luft. Weiter nichts. Nur Luft. Nur wieder hoch gelassen werden. Ich war halb von Sinnen und geriet in Panik.
    Beim zehnten Mal hätte er haben können, was er wollte.
    Das wusste er natürlich.
    Er machte die Zwölf voll.
    Ich glaube, dass es zwölf waren. Ich hatte den Überblick verloren. Die Welt, sämtliches Leben, alles, was von Belang war, hatte sich darauf reduziert, den nächsten Atemzug zu tun.
    »Wisch dir das Gesicht ab!«, befahl er zornig und zerrte mich hoch. Er stieß mich vorwärts und setzte mich ungeschickt auf den Stumpf des gefällten Baumes. Er hockte sich vor mich hin und sagte es noch einmal. Es dauerte geraume Zeit, bis ich ihn verstand. Ich keuchte. Ich bekam immer noch nicht genug Luft. Am Himmel gab es nicht genug davon.
    »Wisch dir das Gesicht, sonst stoße ich es wieder runter in den Matsch«, drohte er. »Nur dass ich vorher reinpisse!«
    Ich fasste mit zitternden Händen nach oben und wischte mir das Gesicht. Der Schlamm ging natürlich nicht ganz weg. Er fasste mit einem Finger herüber und zeichnete etwas auf jede meiner Wangen.
    »Da. Jetzt hab ich dich gebrandmarkt. Du trägst meine Initialen.«
    Auf einmal spürte ich etwas Feuchtes auf meinen Wangen. Ich weinte.
    Sie weckten etwas, diese Tränen. Einen kleinen Funken Wut. Auf mich selbst. Doch das reichte schon.
    Die Tränen gefielen ihm, das sah ich. Ich wischte sie weg. Seine Initialen auch.
    »Ach, es wird so herrlich werden, dich zu erobern, Irene.«
    Ich gab ihm keine Antwort.
    Er sagte nichts, und auf einmal merkte ich, dass er auf etwas horchte. Ich glaubte in der Ferne ein leises, rhythmisches Rumpeln zu vernehmen. Ein Hubschrauber?
    Wir warteten, jeder mit einem anderen Gefühl der Vorfreude. Ich wusste, dass er noch andere Waffen hatte. Würde er die Leute erschießen, die auf der Wiese landeten? Würden sie die Zerstörung sehen und sich vorsichtig nähern? Könnte ich ihnen klarmachen, dass sie mindestens ein komplettes Sondereinsatzkommando hier einfliegen mussten?
    Doch das Geräusch blieb fern und verstummte dann ganz.
    Er lächelte.
    Sei zornig, sagte ich mir. Doch es fiel mir schwer, den Zorn zu finden, der so tief unter meiner Angst begraben lag.
    »Du hast eine Jagd auf den Hund vorgeschlagen. Du bist selbst so eine Art Hündin, weißt du? Hattest du letzte Nacht Sex mit dem Hund? Hast du deshalb versucht, sein Leben zu retten?«
    Er traktierte mich mit einer langen Reihe nicht besonders einfallsreicher Fragen über Bingles sexuelle Leistungsfähigkeit. Ich gab ihm keine Antwort, doch die Angst ließ ein wenig nach und wurde von Ekel abgelöst.
    »Tja, das spielt jetzt keine Rolle mehr. Du wirst die Gejagte sein, und ich werde dich finden. Ganz egal, wie schnell du rennst oder wie weit du läufst, ich finde dich. Ich habe einen wunderbaren Geruchssinn, weißt du?«
    Er fasste in eine seiner Taschen und zog lächelnd etwas Weißes hervor.
    Mein Höschen.
    Er holte tief Atem, und sein Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der von einem schweren Parfüm berauscht ist.
    »Schau!«, sagte er und wies auf seinen Schritt. »Du hast mir einen Steifen gemacht.«
    Ohne den Blick zu senken, sagte ich: »Nicht einmal Bingle kann etwas so Kleines finden.«
    Er ohrfeigte mich. Meine Lippe begann zu bluten. Er lachte und drückte mir den Zwickel meines Höschens darauf.
    »Da!«, sagte er und hielt es sich erneut an die Nase. »Jetzt ist es sogar noch leichter, dich zu finden. Steh auf.«
    Ich erhob mich.
    »Lauf los, Irene. Ich gebe dir einen Vorsprung. Aber vergiss nicht, ganz egal, wie weit du läufst, egal, wie sicher du dich fühlst, egal, wie gut du dich versteckt oder beschützt fühlst – ich finde dich. Ich will, dass du begreifst, was du erst ansatzweise gelernt hast: Ich bin dein Herr. Du solltest dich freuen – du wirst noch lernen, dich zu freuen. Ich werde dich berühren, wie dich noch keiner zuvor berührt hat.«
    Er steckte den Slip wieder in die Tasche und tätschelte sie.
    »Jetzt habe ich deine Witterung. Ich bin ein sehr leiser Jäger, Irene. Glaubst du, du kannst mir entkommen? Ich spüre dich

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