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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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gewähren.
    »Stimmt doch«, sagte er schließlich ziemlich laut. »Erzähl mir nicht
diesen Schmarren von dem Hund, der einen Mord begeht.«
    Ihr Gesicht nahm einen ausgeprägt bockbeinigen Zug an.
    Der Hund begann zu knurren und die Zähne zu fletschen. Ottakring sah
seinen glänzenden Speichel im fahlen Licht der Umgebung.
    Die Resi kniete sich hin und nahm Sissis Kopf in den Arm.
    »Ich sag kein Wort mehr, keine Silbe«, verkündete sie lauthals. »Ich
hab alles schon zu Protokoll gegeben.«
    »Oder war’s vielleicht dein Sohn, der Seppe? Vielleicht aus Versehen,
und du willst ihn schützen? Kann er deswegen nicht mehr richtig reden?«
    Ottakring hatte sich in Rage geredet. Das mit dem Hundemörder hielt
er für absolut abwegig.
    Dass der Staatsanwalt die Ermittlungen sogar eingestellt hatte, war
ein mittlerer Skandal.
    Drei mögliche Täter kamen in Frage: Die Resi, der Seppe, die Moserin.
Um eine Tat zu ergründen, braucht man zuallererst das Motiv.
    Der Bub, so wie er den kennengelernt hatte, kam dafür nicht in
Frage. Warum hätte der seine Großmutter erschießen sollen? Es sei denn, aus
Versehen. Doch dazu hätte er Zugang zu der Waffe haben müssen.
    Die Resi drosch auf ihn ein. Sie stand vor ihm und hämmerte mit den
Fäusten gegen seine Brust.
    Die Sissi war kurz davor, ihn zu zerfleischen.
    Und er, der Kriminalrat a. D. Joe Ottakring, wollte nach einem
Motiv forschen? Zuerst musste er sein Leben retten! Ein geradezu körperliches
Unbehagen kroch ihm in die Glieder.
    Hinter ihm, jenseits des grasigen Vorplatzes, hob sich in der Dunkelheit
die Silhouette der Grabmoosalm ab.
    Durch die rautenförmigen Fenster im Gastraum und in der Küchentür
schimmerte Licht.

DREI
    In der gleichen Nacht wäre Rico Stahl, Chef der
Rosenheimer Mordkommission, um ein Haar bei einem ganz banalen Verkehrsunfall
ums Leben gekommen. Er fuhr auf dem Zubringer von Rosenheim zur A8, um in
München etwas Privates zu erledigen. Etwas, das ihn während der nächsten
Stunden bis zum frühen Morgen in Anspruch hätte nehmen sollen. Zum dritten Mal
an diesem Tag hatte er, bevor er wegfuhr, die Unterwäsche gewechselt, sich
unter den Achselhöhlen und im Schritt eingesprüht und die neue Hermès-Krawatte
mit den gelben Pinguinen angelegt. Er war gerüstet für das, was auf ihn
zukommen sollte.
    Meinte er.
    Bis sich in der Dunkelheit etwas vor seinem Wagen aufgebäumt hatte,
das wie ein Flugzeugträger aussah. Er hörte die dumpfe Schiffssirene und riss
das Steuer herum. Seine Hände umkrampften das Lenkrad, bis die Knöchel weiß
wurden.
    Hinterher war er an den Straßenrand gefahren. Sein Herz hämmerte wie
verrückt, er hatte ein absolut flaues Gefühl im Magen, wie nach einer übel
durchfeierten Nacht, und ihm war schwindlig. Zuerst war ihm der Atem
weggeblieben, und nun schnaufte er wie nach einem Berglauf.
    Innerhalb von Minuten hatte er sich beruhigt. Das war ein Geheimnis
seines Berufs. Als früherer BKA -Agent hatte er
Situationen durchstehen müssen, bei denen normalen Bürgern das Herz stehen
bleiben würde.
    »Der bayerische James Bond.« Kein Titel, auf den er besonders stolz
gewesen wäre. Aber immerhin. Und jetzt saß er fast im Straßengraben und
realisierte, dass er eingeschlafen sein musste. Sekundenschlaf. Aber es hatte
ausgereicht, sein Auto ausscheren und auf die Gegenfahrbahn geraten zu lassen.
Der Flugzeugträger hatte sich als schwerer Lkw entpuppt, der sich laut hupend
seinen Weg bahnte. Einen Augenblick länger, und Rico wäre ein toter Mann
gewesen. Zermatscht von dem schweren Lastzug. Leere breitete sich in ihm aus.
    Diese Müdigkeit.
    Er begriff es nicht. Seit er diesen Posten in Rosenheim übernommen
hatte, war er müde. Er konnte einschlafen, wo er ging und stand. Früher hätte
er über diesen Zustand gelacht. Da war er einfach nur erschöpft gewesen.
Ausgepowert. Doch all das traf nicht zu. Es musste mit seiner jetzigen
Tätigkeit zusammenhängen. Sie war so total anders als die vorherige. Pünktlich
zum Dienst. Mitarbeiter führen. Berichte schreiben. Teil der Personalpolitik
sein.
    Er war stolz gewesen, als er zum Mordchef berufen worden war. Er
hatte sich gefreut. Und nun? All seine trainierten Talente verkümmerten.
    Oder war er einfach nur alt geworden?
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Die Zeitspanne vom Einschlafen bis
zum Aufwachen und zum Reagieren am Straßenrand hatte lediglich Minuten
betragen. Sollte er es sich anders überlegen und nicht nach München fahren?
Sollte er die Verabredung

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