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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Stille der großen Halle knallen.
    »Was heißt ›fort‹?«, fragte Kérven und stellte den Zinnkrug mit dem Gewürzwein so heftig auf die Tischplatte zurück, dass das dampfende Getränk hochspritzte.
    »Niemand hat sie gesehen, ihre Kammer ist leer, und die Mägde sagen, dass sie nach dem Kerzenziehen in den Ställen nach versteckten Eiern suchen wollte. Seitdem hat sie niemand mehr zu Gesicht bekommen!«
    Kérven, der besser als Ludo und die Mägde wusste, was Graciana im Stall gemacht hatte, runzelte die Stirn. Er hatte sie noch auf dem Hof gesehen, als er den Stall verlassen hatte. Der Wind hatte ihr das Gewand an die schlanke Gestalt gepresst, ihre Lippen waren immer noch von den leidenschaftlichen Küssen gerötet, die er ihr geraubt hatte. Weshalb hatte er sie nicht mit ins Haus genommen?
    »Sie kann doch nicht einfach spurlos verschwinden«, knurrte er, und sein Blick flog fragend zu dem alten Burgvogt, der sich schwer auf seinen Stock stützte. Obwohl der Regen pures Gift für seine Gicht war, hatte Fiacre de Mar an der vergeblichen Suche nach Graciana teilgenommen. Er ahnte, dass der Zorn des Seigneurs am Ende auf ihn fallen würde.
    »Vom Burghof kann niemand verschwinden, schließlich gibt es Wachen an der Zugbrücke – oder?« Dies galt wieder dem Burgvogt, der langsam nickte.
    »Ich habe die Männer persönlich befragt, niemand hat das Mädchen hinausgehen sehen. Man könnte meinen, sie hätte sich in Luft aufgelöst!«
    »Hexenkunst, hm?«, brummte Kérven des Iles und war nahe daran, selbst daran zu glauben.
    Graciana war keine normale junge Frau, das stand zweifelsfrei fest. Aber verfügte sie auch über die Gabe, sich unsichtbar zu machen? Er bezweifelte es, aber da war das Geheimnis, das sie umgab, ihre Albträume von Mord und Totschlag.
    »Vielleicht hat sie ja einen unbekannten Helfer gehabt«, mischte sich Ludo ein. Er suchte tapfer nach einem Weg, seinem Großvater die aufkommenden Schwierigkeiten zu ersparen.
    »Einen Helfer?« Kérvens Kopf flog zu ihm herum. Was wollte der Junge damit sagen? Wusste er etwas? »Was weißt du? Heraus mit der Sprache? Was bringt dich zu dieser Annahme?«
    Ludo wich eingeschüchtert zurück. »Ich weiß nichts, Seigneur! Ich dachte eben nur ...«
    »Waren Fremde in der Burg? Besucher? Händler? Reisende? Hausierer oder Bettler?« Kérven sah die anderen an.
    »Nein«, Fiacre de Mar schüttelte den Kopf. »Die Glaser und Zimmermänner aus der Stadt sind erst bei Sonnenuntergang heimgegangen, und bis auf das Fuhrwerk mit dem Holz ...«
    »Welches Fuhrwerk?«, fiel ihm der junge Ritter sofort ins Wort.
    »Die Stämme für den großen Kamin in der Halle«, erinnerte der Burgvogt. »Sie sollten eigentlich erst morgen geliefert werden, aber der Fuhrknecht kam bereits heute Nachmittag ...«
    »Das muss es gewesen sein.« Mit dem geschulten Instinkt eines Mannes, der lange Jahre in ständiger Gefahr verbracht hatte, wusste Kérven des Iles, dass bei dieser Holzlieferung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein konnte.
    »Ich möchte wetten, dass sie in diesem Holzwagen die Burg verlassen hat«, knirschte er und machte seinem Zorn Luft, indem er mit der Faust auf den Tisch hieb. »Heiliger Himmel, ich habe diese Frau unterschätzt!«
    Er glaubte zu wissen, weshalb Graciana auf so geheimnisvolle Weise verschwunden war. Nicht, weil er sie im Stall dazu gezwungen hatte, ihrer eigenen Leidenschaft nachzugeben, sondern weil sie einen Auftrag hatte. Welches Druckmittel besaß Paskal Cocherel, dass er sich ihrer Dienste versichern konnte?
    »Nun ...« Fiacre de Mar gab sich einen Ruck. »Das Mädchen ist keine Leibeigene, Messire! Wir konnten es nicht festhalten. Sie hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, und so, wie es aussieht, hat sie nicht mehr mitgenommen als die Kleider, die sie am Leib trägt. Solltet Ihr diese Entscheidung nicht respektieren?«
    »Ihr wisst nicht, was Ihr sagt!«, brauste der Ritter auf. »Ludo, sobald es hell ist, reiten wir nach Rennes! Leichtes Gepäck und die schnellsten Pferde aus dem Stall, es könnte sein, dass das Leben des Herzogs davon abhängt, dass wir ihn rechtzeitig erreichen!«
    Fiacre de Mar schüttelte erneut den Kopf. »Wollt Ihr ernsthaft behaupten, das Mädchen sei eine Gefahr für den Herzog?«
    »So, wie es aussieht, muss ich es fürchten«, räumte Kérven widerwillig ein.
    »Ihr täuscht Euch!«, entgegnete der Vogt entschieden. Im Gegensatz zu seinem Seigneur glaubte er bedingungslos an Gracianas Anständigkeit.

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