Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
gefälligst nicht Vater, auch nicht, wenn wir allein sind! Die Macht der Gewohnheit impliziert den Feh l tritt!«
Doch der Rüffel regte den Widerstand des Blutes. »Eminenz«, entgegnete Vitus grollend, »eines – nicht mehr allzu fernen – Tages, steht zu hoffen, werde ich ›Heil i ger‹ voransetzen dürfen. Bis dahin müßt Ihr Euch – auch priv a tissime – mit der schlichten Form begnügen. Schon meiner Mutter zu Ehren!«
»Ein Dickschädel wie sie!« lachte der Kardinal. »Nur daß du statt Stroh zu viele Flausen darin beherbergst. Auf, ans Werk!«
Vitus stand wie ein gereizter Stier. Wie er seinen Vater haßte! Nicht, weil der sich nicht zu seinem eigen Fleisch und Blut bekennen wollte – was er leicht gekonnt hätte! –, sondern weil er kraft dieser ›Leibeigenschaft‹ den Sohn, der mittlerweile auch die Vierzig überschritten hatte, i m mer noch wie einen hergelaufenen Bauernlümmel, wie e i nen tumben Knecht traktierte.
»Unsere Seele ist entronnen wie ein Vogel der Schlinge des Jägers, der Strick ist zerrissen!« Aus dem Festsaal dröhnte, leicht berauscht, eine Stimme.
»Sie feiern ihre Flucht wie einen Sieg!« bemerkte Vitus bitter. »Sie hätten gewiß weniger zu spaßen, wenn sie den Sieger kennen würden!«
Der, auf den dieser Bemerkung gemünzt war, überhörte sie geflissentlich. Wer so blöd war, derlei in Worte zu fa s sen, konnte eigentlich nicht lange leben – auf jeden Fall es zu nichts Gescheitem bringen! Bedauerlich!
»Was stehst du noch herum?« herrscht Capoccio seinen Bastardsohn unwillig an. Sein Zorn stieg auf. »Muß ich dir Beine machen?«
»Macht Sie lieber den Herrschaften dort oben«, gab V i tus patzig zurück. »Euer Rang impliziert die ehrenvolle Au f gabe, die Festtafel jetzt aufzulösen: die Gefahr lauert da draußen auf dem Meere. Sie vergrößert sich mit jeder M i nute, die wir länger hier verweilen. Die Flotte der P i saner hat Übung darin, Kardinalsba rs che im Netz zu fa n gen, und sie bedarf dazu keiner kaiserlichen Order!«
»Was einer nicht in den Beinen hat, muß er im Kopf h a ben. Du hast recht, mein Sohn.« Capoccio schaute hinab auf den Hafen. »Welch ein Fischzug! Nicht nur Genuas einziger Admiral mit schnappenden Kiemen« – eine Vo r stellung, die dem Kardinal Freude zu bereiten schien, we l che er jedoch für sich behalten konnte –, »nein, auch der vicarius Petri, einzigartiges Exemplar, einmalig in seiner schillernden Erscheinung, zappelt in den – nein, nicht he u te, nicht so!« Weder denken noch aussprechen!
Als hätte Vitus die verräterischen Gedanken erahnt – in der Kurie lauerte jeder Fisch darauf, den vor ihm zu fre s sen –, kam ihm in den Sinn, wie gut ihn selbst der Purpur kle i den würde. Doch sein Einzug in dieses Aquarium der p a pabiles hing erst mal davon ab, daß sein ehrgeiziger Vater noch lange Hecht im Karpfenteich blieb – und nicht im höchsten Ornat die gierigen Bisse Nachdrängender abz u wehren hatte.
»Zur Ablenkung eventueller Angriffe vom Wasser aus schlage ich vor, Eminenz« – das Rangverhältnis war wi e derhergestellt –, »alle Fischerboote ausfahren zu la s sen mit dem Befehl, die genuesischen Galeeren bis auf die hohe See zu geleiten. Einmal dort, wird es des Nachts auch den Pisanern kaum möglich sein, den davoneile n den Schwarm noch rechtzeitig zu orten; ihn zu stellen, bedarf es aber i h rer geballten Flotte!«
»Ich hoffe, du erwartest kein Lob, mein Sohn – außer, daß ich dich stolz so nenne – mach dich endlich an die A r beit, Vitus!« Der Kardinal reichte ihm die Hand zum Rin g kuß, und Vitus von Viterbo verschwand in der Du n kelheit.
Das Bankett war zu Ende, die Soldaten bildeten einen doppelten Kordon um Hafen und Stadt; keiner hatte mehr Zutritt. Die Fischer wurden aus ihren Häusern geholt, Wehklagen der Weiber, die das Schlimmste befürchteten; die Unwilligen wurden zu ihren Booten geprügelt, und jede Hand wurde gezwungen, die Barken ins Wasser zu schi e ben und sich zum Auslaufen bereitzuhalten. Kurz darauf begab sich der Papst, geleitet vom Admiral, auf dessen G a leere, während die Kardinale auf die anderen verteilt wu r den.
Man legte ab. Im Gewimmel der sie flankierenden F i scherboote waren die Genuesen tatsächlich kaum auszum a chen. Über hundert Segel wurden gesetzt, und der tausen d fache Ruderschlag ließ das Wasser im Hafenbecken au f schäumen. Schnell glitt die stattliche Flottille hi n aus aufs nächtliche Meer.
»Gehen wir schlafen.« Der
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