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Gran Reserva

Gran Reserva

Titel: Gran Reserva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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er vielleicht mehr als wir alle. Du weißt schon, falls da oben wirklich was ist.« Er zeigte nach oben. »Für einige wird da was sein, da bin ich mir sicher.«
    Iker ging die große Wendeltreppe hinunter in den Keller der Bodega.
    »Und für Pepe Salinas? Und für den, der ihm das angetan hat?«
    Iker blieb auf der Treppenstufe stehen und drehte sich um. Dann sprach er leiser, obwohl niemand sonst im Weingut zu sehen war. »Ich glaube, es war einer aus Haro. Habe denen noch nie getraut. Die ganze Sache mit der Batalla del Vino, mir gefällt das nicht, so was mit Wein zu machen. Da wachsen die Trauben über hundert Tage, man pflegt und hegt sie, man erntet sie vorsichtig wie rohe Eier, man lässt sie in feinstem Holz zu Wein werden – und dann saut man dermaßen mit ihnen rum. Salinas war der Leiter des Organisationskomitees, und da gab es immer Streit. Vor allem mit dem Bürgermeister – der ist von der anderen Partei, und es gefiel ihm gar nicht, dass sein Konkurrent diesen Posten innehat. Salinas wollte nämlich selbst Bürgermeister in Haro werden. Der jetzige, Santamaria heißt er, hat unzählige Schergen, alte Seilschaften, schon unter Franco zog er die Strippen in Haro. Fett schwimmt oben, so sagt ihr doch in Deutschland. Recht habt ihr!« Kopfschüttelnd ging er die Wendeltreppe weiter hinunter. »Fett schwimmt oben, das passt bei Santamaria. Und wie das passt.«
    Die Weinschlacht, Cristina hatte davon erzählt, nachdem sie ihn vor dem Gefängnis aufgelesen und Informationen über die Region ausgespuckt hatte, wie ein defekter Glücksspielautomat Münzen. Max würde sich die Chance nicht entgehen lassen, sie zu fotografieren.
    Mit einer wasserdichten Kamera.
    Iker blieb noch mal stehen. »Ach, eins noch, bevor ich es vergesse: Wenn du meiner Enkelin Kummer bereitest, wirst du auch mir großen Kummer bereiten, Max. Sie ist ein gutes Mädchen. Die beste all meiner Enkelinnen, und ich habe neun. Aber sag ihr das bloß nicht! Sei nur vorsichtig mit ihr. Sie hat schon zu viele Enttäuschungen erlebt. Ich will nicht, dass eine weitere dazukommt.«
    Diese Worte, voller Sorge und Mitgefühl gesprochen, diese sanfte Warnung, traf Max mehr, als jede Drohung es gekonnt hätte. Sein Hals war wie zugeschnürt. Sein Herz schlug schnell, vor Zuneigung zu Cristina und aus Respekt vor dem alten Iker.
    Cristina hatte keine Zeit für Max, sie wurde auf einer anderen Bodega der Martinez-Gruppe eingesetzt. Scheinbar war es nicht ungewöhnlich für Mitarbeiter, dass sie zwischen den Weingütern wechseln mussten, wenn es hart auf hart kam.
    Also fuhr Max alleine nach Haro. Er wusste nicht, was er dort wollte, auf jeden Fall würde er fotografieren, für seine Serie über die Weinschlacht. Vorher – nachher. Und Fragen würde er stellen, zu Pepe Salinas, der hier die Weinschlacht organisiert hatte und eine lokale Berühmtheit war. Und auch zu Bürgermeister Santamaria.
    Haro sah nicht aus wie eine Stadt, in der sich Menschen gegenseitig mit Wein bewarfen. Die Häuser waren alt, bedächtig, und in der Nähe mündete der Tirón idyllisch in den Ebro. Dass Wein wichtig in Haro war, spürte man, völlig zu Recht galt die Stadt als Zentrum der Rioja Alta. Unter anderem der Wein hatte den Ort reich gemacht, berühmte Bodegas wie Muga, López Heredia, La Rioja Alta, CVNE oder Bilbainas waren hier beheimatet und warben um Besucher und Weinkäufer. Aber heute interessierte sich Max weder für sie noch für das Museo del Vino, er wollte dorthin, wo man wirklich etwas über Wein und Weinkultur erfuhr – in eine Tapas-Bar. Wie von selbst landete er auf der großen Plaza Mayor, in deren Mitte ein erhöhter Pavillon stand, wie Max es auch aus deutschen Kurstädtchen kannte. Die Plaza war gesäumt von Bars und Cafés und allerlei Läden, die ihre Markisen ausgekurbelt hatten, um ihre Gäste vor der Mittagssonne zu schützen. Draußen saßen die Touristen, die Bewohner der Weinschlacht-Stadt dagegen saßen drinnen an der langen Theke, wo Würste, Käse, Tortillas und Brote zum Verweilen einluden und die große Kaffeemaschine unentwegt lief. Der Duft der Bohnen lockte Max ins Café Suizo, wo der Besitzer, ein Mann mit prachtvoller Säufernase und großem Säuferbauch, gerade einem Gast einen weißen Porzellanteller mit Tapas über den Tresen schob und eine Papierserviette nachreichte. Der Kaffee roch würzig und stark nach köstlicher, konzentrierter Dunkelheit.
    Doch am Eingang blieb Max stehen, ganz abrupt, denn ein Plakat war an die

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