Granger Ann - Varady - 03
sehr
mitgenommen aus. Nichtsdestotrotz gab er sich die größte
Mühe, die Fragen einer Polizeibeamtin zu beantworten, die
mit einem Notizbuch in der Hand vor ihm stand.
»Gan!«, rief ich erschrocken.
Die Polizistin wirbelte wie gestochen herum und hätte
fast ihr Notizbuch fallen lassen. Sie war eine stramme Blondine mit Beinen wie ein Fußballer in schwarzen Strümpfen.
Sie schob ihre Mütze nach hinten und funkelte mich finster
an.
Ein zweiter Beamter, der hinter dem Tresen herumgeschlichen war, stürzte herbei und wollte mich durch die Tür
nach draußen auf die Straße verfrachten. Ich setzte mich zur
Wehr.
»Der Laden ist geschlossen, Miss. Haben Sie das Schild an
der Tür nicht gesehen?« Er fasste mich in der bewährten
Weise am Ellbogen.
»Lassen Sie los!«, giftete ich und klammerte mich am
Türrahmen fest. »Ich arbeite hier! Was ist mit Mr Patel passiert? Ganesh, was ist los?«
Er zögerte sichtlich, mich loszulassen, doch er musste meine Behauptung überprüfen. Er sah über die Schulter nach
hinten. »Ist das richtig?«, fragte er in Ganeshs Richtung. »Arbeitet die junge Frau bei Ihnen?«
»Ja …«, antwortete Ganesh mit schwacher Stimme.
Der Beamte ließ mich unwillig wieder eintreten.
Ich eilte zu Ganesh. »Was ist passiert, Gan? Wer hat das
getan?« Hatte jemand versucht, den Laden auszurauben?
Gleich montags morgens war eine höllisch dumme Zeit für
einen Versuch. Kaum was los, die Einnahmen verschwindend gering. Doch Diebe handelten nicht immer logisch.
Der Halunke war vielleicht ein Psycho oder brauchte verzweifelt Geld, um sich einen Schuss zu kaufen. Mir war ganz
schlecht vor Ärger und Wut.
»Gestern Abend«, murmelte Ganesh. »Ein Einbrecher …
hier unten. Ich hab Geräusche gehört und bin nach unten
gegangen, um nachzusehen. Irgendjemand hat mich niedergeschlagen, und ich bin im Krankenhaus wieder aufgewacht.«
»Wir glauben, jemand hat versucht, das Geschäft auszurauben«, sagte die Polizistin. »Vielleicht könnten Sie sich
einmal umsehen, schließlich arbeiten Sie hier, ob etwas
fehlt? Wie lautet Ihr Name?«
Sie mochte mich nicht, das konnte ich spüren. Ich verriet
ihr meinen Namen.
»Ich glaube nicht, dass etwas gestohlen wurde«, sagte Ganesh schwach. »Ich hab im Lager nachgesehen, und die Zigaretten im Regal hinter dem Tresen sind auch noch alle da.
Die Kasse war leer.« Er begegnete meinem Blick, als er
sprach. Ich wusste, was er mir bedeuten wollte. Sag nichts
von Coverdale oder den Fotos. Das hier sind ganz normale
Streifenpolizisten, die vielleicht gar nichts von dem Mord wissen.
Der männliche Beamte marschierte durch den Laden und
verschwand nach hinten. »Ist die Alarmanlage denn in Ordnung, Sir?«, fragte die Polizistin. »Wissen Sie das? Sie scheint
nicht losgegangen zu sein. Finden Sie das nicht merkwürdig?«
Ich bildete mir ein, dass Ganesh unruhig zappelte, und
war gerade zu dem Schluss gekommen, dass es wohl wegen
der Schmerzen war, als er antwortete: »Offen gestanden, es
ist möglich, dass ich vergessen habe, sie einzuschalten.«
»Vergessen?«, fragte sie überrascht und misstrauisch
zugleich. In mir regten sich die gleichen Empfindungen.
Glücklicherweise wurde sie durch die Rückkehr ihres
Partners abgelenkt, der atemlos und ohne Mütze auf dem
Kopf hereinkam. »Ich schätze, er ist über die rückwärtige
Mauer gestiegen. Die Hintertür ist offen, allerdings konnte
ich keine Gewalteinwirkung sehen. Wer hat alles einen
Schlüssel?« Er sah Ganesh fragend an.
»Niemand«, antwortete Ganesh indigniert, dann fasste er
sich mit der Hand an den verletzten Schädel. »Autsch! Niemand außer mir hat einen Schlüssel.«
»Haben Sie den Schlüssel manchmal?« Der Beamte bedachte mich mit einem anklagenden Blick.
»Nie«, sagte ich.
Die Gesetzeshüter wechselten Blicke. »Der Einbrecher
kannte sich vielleicht mit Schlössern aus«, sagte der aus dem
Hof zurückgekehrte. »Aber falls dem so ist, dann war es kein
gewöhnlicher Einbrecher. Sie verschaffen sich Zugang, packen ihre Beute und verschwinden wieder. Das ist die übliche Vorgehensweise. Sie sagen, dass er überhaupt nichts
mitgenommen hat?«
Jetzt starrten beide Ganesh an, und in ihren Gesichtern
stand nackter Unglaube.
»Sie haben gesagt, Sir«, fügte die Beamtin hinzu, »dass Sie
auf der Treppe mit diesem Eindringling zusammengestoßen
wären?«
»Ich war auf dem Weg nach unten«, berichtete Ganesh.
»Und er war ungefähr hier, neben der untersten Stufe.« Er
deutete auf
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