Grappa 07 - Killt Grappa
ich, »besonders seit ich die handelnden Personen kenne. Dieser Jaap Vermeulen sieht mit seinem weißen Wuschelhaar zwar aus wie Petrus an der Himmelspforte, doch ich persönlich würde nicht gern bei ihm anklopfen. Außerdem vögelt er mit deiner Freundin, der schönen Else. Ich habe das Lotterbett heute Mittag bei meinem Besuch gesehen. Und Eva hat er bestimmt auch schon beglückt. Gehört bestimmt mit zur Therapie.«
»Else ist nicht meine Freundin«, widersprach Turkey und wurde ein bisschen rot. »Ich gebe ja zu, dass ich solche Frauen toll finde. Aber nur vom Gesamttyp her. Sie hat irgendetwas Diabolisches an sich. Und diese tätowierte Schlange auf ihrem Busen ... irgendwie ...« Er stockte.
»Irgendwie macht dich das total an«, vervollständigte ich den Satz. »Du brauchst dich nicht zu schämen. In den meisten Männerseelen gibt es Abgründe, in denen perverse Obsessionen schlummern. Du gehörst halt zu denen, die gern mal ausgepeitscht werden wollen, oder? Stehst du auf die Schuljungennummer, oder gibt's da noch was anderes?«
Turkey schwieg. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Lass uns das Thema wechseln«, schlug er dann vor, »ich brauche keine Sextherapie – und schon gar nicht von dir, Grappa! Ich komme prima alleine klar.«
»Das würde mich auch echt überfordern«, gestand ich. »Ich bin ein einfaches Mädchen vom Lande, das von Nonnen unterrichtet wurde. Mit sechzehn dachte ich noch, dass man vom Küssen Kinder kriegt. Lass uns lieber wieder über unsere Geschichte nachdenken. Ich hatte so viele Fäden in der Hand, doch sie sind mir alle entglitten. Die Sache stockt.«
Turkey und ich hatten uns in meinem Büro zu einer Krisensitzung zurückgezogen, wir warteten auf Peter Jansen. In Ermangelung eines vernünftigen Restaurants in der Nähe des Verlagshauses hatte ich durch den Schnelldienst Mamma mia drei Salate und drei Pizzas herankarren lassen, die in ihren Warmhalteschachteln langsam Zimmertemperatur erreichten.
Endlich ging die Tür auf, und Jansen war da. Er pflanzte sich in den Schwingstuhl und riss eine Pizzaschachtel auf. »Thunfisch! Genau das Richtige!«
Turkey entschied sich für die Capriciosa, und ich machte mich über die Carciofini her.
Kauend gab ich eine kurze Zusammenfassung meiner Recherchen der letzten Tage.
»Else Ambrosius und dieser Körperguru hängen in der Sache drin. Vermeulen hatte früher mal eine Praxis in Amsterdam. Vielleicht sollte ich mal da nachfragen«, schlug ich vor. »Kann sein, dass seine Weste nicht so weiß ist, wie sein Wattehaar.«
»Gute Idee«, lobte Jansen, »spann doch deinen Freund bei der Kripo ein. Der kriegt doch so was viel schneller raus als wir.«
»Unser Kontakt ist ein bisschen abgekühlt«, murmelte ich.
»Dann leg ein bisschen Holz nach, damit er wieder heiß wird«, riet Jansen, »jetzt lassen wir dich schon mit einem Bullen verkehren, und du machst nichts daraus.«
Ich überhörte die Unverschämtheit. »Ich werd's mir überlegen. Hat jemand von euch eine Idee, wie wir an Eva Grid herankommen? Ich hab's über den Anwalt versucht, doch der ist nicht gerade kooperativ.«
»Um diese Schönheitsklinik haben wir uns noch gar nicht gekümmert«, sagte Jansen statt einer Antwort. »Wer leitet sie jetzt eigentlich? Wem gehört die Immobilie überhaupt? Was ist mit dem Vermögen der Grids? Der Mann tot, die Ehefrau im Knast – was passiert also mit dem Geld? Erbt die Haushälterin alles? Also – dann mal los, Grappa!«
Regen und Sturm
Der Herbst war an diesem Tag mit Regen und Sturm über Bierstadt hergefallen. Wir hatten gerade unser Brainstorming beendet, als es zu schütten begann. Es folgte starker Wind, dann blitzte und donnerte es. Ich hatte keinen Regenschirm; der Weg zu meinem Japaner war zu weit, um einigermaßen trocken anzukommen. Abwarten, dachte ich, vielleicht sollte ich die Zeit nutzen und Nik Kodil anrufen.
Unsere Beziehung war seit dem Waldspaziergang auf Eis gelegt, ohne dass es zu einem offiziellen Ende gekommen wäre. Ein Mann wie er blieb bestimmt nicht lange solo. Aber mein Anliegen war ja rein geschäftlich.
Zögernd tippte ich seine Durchwahl im Polizeipräsidium ein. Nach zehnmaligem Klingeln meldete sich die Zentrale. Ich legte auf.
Niedergeschlagen trat ich ans Fenster. Der Himmel über Bierstadt war jetzt wild, hatte eine gelbgraue Farbe. Blitze zuckten, Baumkronen bogen sich im Wind, die Plakate auf der Wand gegenüber hingen in Fetzen herunter, ab und zu kämpfte ein Mensch mit
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