Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
herangekommen?«
»Reporterglück«, gab ich zu. »Jemand hat sie mir per Post zugeschickt.«
»Interessant. Da weiß jemand seit langem, dass Lika ein Verbrecher ist, und hält den Mund.«
»Ist mir auch aufgefallen.« Ich griff nach einem Stück Weißbrot.
»Weißt du, nach was das aussieht?«
»Ja«, kaute ich. »Lika ist erpresst worden.«
»Genau, Grappa! Vielleicht stimmt deine These ja doch – ich meine, dass Nagel hinter allem steckt. Er spielt dir die Unterlagen zu, damit du sie veröffentlichst.«
»Und er rechnet damit, dass Lika erst mal verschwindet – damit er sich in Ruhe zum OB wählen lassen kann.«
»Und wenn Smart es schaffen sollte?«
»Dann hat sich Nagel verkalkuliert«, spekulierte ich.
»Es sei denn ...«, TOP zögerte.
»Was?«
»... Smart ist die Nächste auf seiner Liste.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Beide Kandidaten stehen unter Polizeischutz. Nagel wird es nicht wagen, Frau Smart was anzutun.«
»Du vergisst Lika«, erinnerte mich TOP. »Wenn Lika Smart killt und dein bosnischer Freund bringt Lika um die Ecke ... das wäre für Jakob Nagel ein Fest.«
»Jetzt wird's zu kompliziert«, stellte ich fest. »Lass uns einfach abwarten, was passiert.«
Ich machte mich über die Ravioli her, die seit ein paar Minuten vor mir standen. Sie waren mit Ricotta und Steinpilzen gefüllt – eine feine Sache. TOP hatte sich Tagliatelle mit gegrillten Gambas bestellt, auf denen goldbraun gebratene Knoblauchstückchen glänzten.
Schweigend aßen wir die Pasta, doch eine entspannte Stimmung wollte nicht aufkommen. Nur einfach abzuwarten – das war eigentlich nicht unsere Art.
»Wir müssen Lika finden«, meinte ich schließlich. »Hast du irgendeine Idee, wo er sich herumtreiben könnte? Du kennst ihn schließlich besser als ich.«
»Er hat irgendwo ein Landhaus oder ein Jagdhaus. Das hat er mal erwähnt«, antwortete TOP. »Aber ich bin nie dort gewesen.«
»Okay. Ich krieg schon raus, wo das ist. Machst du mit?«
»Natürlich. Meinst du, ich überlasse dir die Story allein?«
Eine ehrliche Nummer
Das penetrante Klingeln meines Telefons riss mich aus wirren Träumen. Schlaftrunken grapschte ich nach dem Hörer.
»Guten Morgen«, sagte Nazmi, »ich bin raus.«
»Was?«
»Ich habe die Klinik verlassen.«
»Findest du das in Ordnung?« Eine rhetorische Frage.
»Ich muss ihn finden.«
»Nazmi! Wo bist du?«
»Auf dem Weg zu Lika.«
»Du weißt, wo er ist?«
»Ich ahne, wo er sich verkriecht.«
»Lass mich mitfahren«, schlug ich vor.
»Nein. Die Sache geht nur mich allein etwas an. Ich sage dir Bescheid, wenn es vorbei ist.« Er legte den Hörer auf.
An Weiterschlafen war danach nicht mehr zu denken. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach sechs Uhr morgens.
Was sollte ich tun? Plötzlich fiel mir Manuelas Adressbuch ein.
Ich rannte ins Arbeitszimmer und räumte mit nervösen Fingern auf meinem Schreibtisch herum. Irgendwo musste die Kopie von der Seite, die ich mir gemacht hatte, geblieben sein.
Ich erinnerte mich, dass hinter Likas Namen drei Telefonnummern gestanden hatten – die seiner Praxis, des Clubs Chez Justine und eine weitere. Ich hatte nie überprüft, zu welchem Anschluss die dritte Nummer gehörte. Ich fand die Kopien nicht.
Über die Auskunft ermittelte ich Manuelas Telefonnummer. Sie ließ es lange klingeln.
»Ja?«, sagte eine müde Stimme nach endlos erscheinender Zeit.
»Manuela? Hier Maria Grappa. Hören Sie mir bitte genau zu – es ist verdammt wichtig!«
»Sind Sie wahnsinnig? Haben Sie keine Uhr?«
»Tut mir Leid.« Ich erklärte ihr, dass ich Dr. Lika finden müsse, bat sie in ihrem Adressbuch nachzusehen, bot ihr einen Hunderter für die Info. Das zog.
»Moment!«
Ich hörte, dass sie den Hörer niederlegte und davonschlurfte.
»Ich hab sie!« Langsam gab sie mir die drei Ziffernkombinationen durch.
»Kennen Sie Lika eigentlich näher?« Diese Frage hatte ich ihr noch nicht gestellt.
»Nicht besonders gut. Er hat mich mal angesprochen – auf der Brunnenstraße«, erklärte sie. »Suchte immer mal Frauen für Spielchen. Für Privatfeten in seinem Landhaus. Merkwürdiger Typ. So stechende Augen. Guckte wie 'n Frauenmörder. Nix für mich. Die ehrliche Nummer an der Ecke oder im Auto ist mir lieber – da kann ich wegrennen. Keine perversen Nummern in geschlossenen Räumen – da läuft mir 'n Grusel den Rücken runter. Wie komm ich denn jetzt an den Hunni ran?«
Überraschung
Das Haus lag versteckt zwischen hohen Kiefern,
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