Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
zwischen Adligen müssen vom Thron gebilligt werden, und sehr oft wurde diese Billigung eben wegen der möglicherweise gefährlichen Konzentration von Linien in einem Haus verwehrt. Unsere Mutter, die Königin, war nicht besonders glücklich, als sie erfuhr, dass Rafe und Hilga heimlich geheiratet hatten. Und ihre Laune wurde auch nicht gerade besser, als sie herausfand, dass Hilga bereits schwanger war.«
Ich umklammerte den Stab fester, während meine andere Hand in meine Manteltasche glitt, in der sich das Messer und die Feder befanden. Allmählich wurde mir klar, was Jusson soeben enthüllt hatte. Und damit meinte ich nicht den Zeitpunkt, an dem meine Mutter mit meiner ältesten Schwester schwanger geworden war. Das war unbedeutend, konnte außer Acht gelassen und bestenfalls in einer stillen Minute bedacht werden. Aber der Grund, weswegen meine Eltern Iversterre verlassen hatten … »Wen hätte meine Mutter heiraten sollen?« Meine Stimme klang heiser, als ich mich von dem Gedanken losriss, wie mein Vater und meine schwangere Mutter vor einer wütenden Königin flüchteten.
»Es war der Skandal des Jahres«, antwortete Jusson. »Ich diente noch in der Marine, kämpfte gerade gegen Piraten und hielt Tural davon ab, in unseren Gewässern zu räubern. Ich erinnere mich noch an meine Rückkehr, wo ich am Hafen von Witzen empfangen wurde, von Liedern in den Schänken, von Dramen in den Straßentheatern auf den Plätzen und Getuschel hinter behandschuhten Händen und bemalten Fächern auf Bällen und Soirees. Alle handelten von Lady Hilga und davon, wie sie Idwal von Mearden zugunsten ihres Geliebten, Rafe ibn Chause, den Laufpass gegeben hatte. Doch durch die Auflösung ihrer Verlobung hatte Lady Hilga nicht nur den beachtlichen Zorn unserer Mutter auf sich gezogen, sondern hatte auch Mearden schweren Schaden zugefügt. Sowohl dadurch, dass er ihrer beträchtlichen Mitgift verlustig ging, als auch der Linien zum Thron, die das eher unbedeutende Haus Mearden zu einem Großen Haus gemacht hätten.« Jusson tippte auf die Depesche vor ihm. »Und jetzt verlangen sie, dass dieser Schaden wiedergutgemacht wird. Und zwar von dir, Cousin.«
»Aber ich besitze doch nichts.« Obwohl ich der Enkel eines Großen Hauses und der Neffe eines anderen war, sowie Cousin des Königs und sein Thronerbe, besaß ich nur meinen Sold als Soldat. Und ich glaube kaum, dass meine Ersparnisse Mearden weitergebracht hätten, ganz gleich wie unbedeutend das Haus auch sein mochte.
»Oh, doch, das tust du«, widersprach Jusson. »Du besitzt all diese Linien. Und sie haben eine Tochter im heiratsfähigen Alter.«
»Willkommen in der Aristokratie, Hase«, murmelte Javes in mein erstauntes Schweigen hinein.
»Aber ich kenne sie doch nicht einmal«, sagte ich, während allmählich Panik in mir hochstieg.
Jusson lächelte. »Und was hat das damit zu tun?«
»Verdammt noch mal alles, denke ich doch!«
»Bei meinen Eltern spielte es keine Rolle«, erwiderte Jusson. »Sie haben sich vor ihrer Hochzeit nur zweimal gesehen.«
»Sie haben sich gesehen?« Suidens grüne Augen leuchteten hell. »Als ich heiratete, musste ich bis zur Hochzeit warten. Auf jede meiner drei Frauen.«
Jusson, Javes, Thadro und ich schwiegen und betrachteten den Hauptmann verstohlen.
Suidens Augen leuchteten noch heller. »Es waren politisch begründete Eheschließungen, Euer Majestät. Ehen, die der Amir schon vor langer Zeit aufgelöst hat.«
»Sie machen mir Angst, Hauptmann Prinz«, erwiderte Jusson. »Keine Angst, Hase. Wenn es so weit ist, werde ich von dir nur verlangen, eine Frau zu ehelichen.«
»Ihr werdet es … verlangen, Euer Majestät?«, quiekte ich.
»Selbstverständlich.« Er hob eine seiner elegant geschwungenen Brauen. »Es sei denn, du verspürst die Berufung für einen Heiligen Orden und möchtest gerne in die Kirche eintreten …?«
Ein Klopfen an der Tür übertönte mein Keuchen. Jusson zog die Brauen zusammen und gab Cais ein Zeichen. Der Haushofmeister öffnete die Tür für Frestons Garnisonskommandeur. Mein von Panik erfüllter Blick richtete sich auf Kommandeur Ebner, der in der Tür stehen blieb.
»Sind wir zu früh, Euer Majestät?«, erkundigte sich Ebner. »Sollen wir später wiederkommen?«
»Nein.« Jusson seufzte, und seine finstere Miene hellte sich auf, als er auf den lichter werdenden Himmel draußen vor dem Fenster blickte. »Es wird Zeit, dass ich mein Tagwerk beginne.«
Der Kommandeur betrat den Salon. Ihm folgten
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