Grenzwärts
schlimmer aus.«
»Voller Körpereinsatz, wie?«
»Ja, manchmal kommt man nicht drum herum.« Schwartz sah auf den ausgebrannten Bus. »Und was haben wir hier?«
»Die Reste eines alten Linienbusses«, antwortete Klaus Piontek und stieg ächzend aus dem Wagen. »War früher im Personennahverkehr eingesetzt.« Er legte seine Arme verschränkt auf das Dach des Dienstgolfs und grinste Schwartz an. »Zuletzt diente er als Etablissement der käuflichen Liebe. Wurde vor allem von Braunkohlekumpels frequentiert und stand bis vor ein paar Stunden noch im Berzdorfer Tagebau der LAUBAG .«
»Der Wechsel nach Zittau hat ihm offenbar nicht gutgetan«, setzte Tobi lauter hinzu, denn über Lautsprecher wurde nun die Predigt des Pfarrers nach draußen übertragen. Die Kirche war längst überfüllt, Tausende von Kerzenträgern drängten sich davor auf dem Platz.
»Wir beten für ein Ende der Gewalt gegen unsere Mitbürger aus anderen Ländern. Sie bringen uns Vielfalt, ein Mehr an Erfahrungen und Chancen. Ein Mehr an Liebe und an Zuversicht. Deshalb beten wir für die Einsicht derer, die Angst haben. Die das Fremde fürchten und das Unbekannte. Lasst euch nicht beherrschen von den Geistern der Intoleranz! Öffnet eure Herzen für das Neue und lasst ab von eurem Hass!«
»Das ist ‘ne Sache für den Staatsschutz«, winkte der alte Piontek ab.
»Staatsschutz? Wieso?«
»Na, politische Hintergründe. Der Bus wurde von Rechtsradikalen angegriffen.«
»Zeugen?«, erkundigte sich Schwartz.
»Jede Menge.« Klaus Piontek nahm eine Kladde aus dem Golf und setzte seine Lesebrille auf. »Also: Der Bus kam hier zwischen achtzehn und neunzehn Uhr an. Der Angriff erfolgte kurz darauf. Alle Zeugen sprechen übereinstimmend von militanten Skinheads oder Neonazis. Die sind mit mehreren Pkws gekommen und einem Laster, haben Benzin über den Bus gekippt und angesteckt. Ging blitzschnell, wie generalstabsmäßig geplant.«
»Dann müssen sie gewusst haben, dass der Bus hierherkommt«, folgerte Schwartz.
»Nicht unbedingt.« Piontek schüttelte den Kopf. »Wenn die Sache von langer Hand geplant worden ist, werden sie den Bus schon länger beobachtet haben.« Er packte die Kladde wieder ins Auto. »Vielleicht sind sie ihm einfach gefolgt.«
»Um hier zuzuschlagen?« Schwartz betastete Nase und Mund. Aber da blutete nichts mehr. Da war nur noch Schorf. »Mitten in der Stadt?«
»Ja, siehste doch.« Piontek hob fröstelnd die Schultern. »Vielleicht um ein Exempel zu statuieren oder so. Soll sich der Staatsschutz drum kümmern.«
»Und die Prostituierten«, fragte Schwartz, »wo sind die?«
»Die haben die angeblich mitgenommen«, sagte Tobi mit ernster Miene und seufzte. »Die armen Mädchen, was?«
»Mhm«, machte Schwartz und sah sich um. Zwischen den Demonstranten fiel ihm eine junge Frau auf, die im Schatten der Kirche versuchte, an der Absperrung und den Polizisten vorbei auf den Kirchhof zu gelangen. Vergebens, denn ein uniformierter Beamter stellte sich ihr in den Weg.
»Wo wollen wir denn hin, Bürgerin?«
»Wo Sie hinwollen, weiß ich nicht«, erwiderte die junge Frau spitz, »ich wollte nur mal kurz gucken.«
Schwartz wunderte sich, dass ihr Anorak so feucht aussah. Obgleich es gar nicht regnete. Oder war das nur ein besonders glänzender Nylonstoff?
»Hier gibt es nichts zu gucken.« Der Polizist wollte die junge Frau am Arm nehmen und beiseiteführen, doch sie protestierte sofort scharf.
»Fassen Sie mich nicht an!«
Der Polizist hob erschrocken die Arme. »Ich bitte Sie, Bürgerin. Es ist nachts um eins, wir sind alle müde und betroffen von den Geschehnissen hier. Seien Sie also vernünftig. Vielleicht gehen Sie einfach schlafen, ja?«
»Nichts anderes hatte ich vor.« Die junge Frau drehte sich abrupt weg und drängelte sich zwischen den Menschen hindurch zu einem Haus, an dem » JOHANNISHOF « stand, » PENSION & RESTAURATION«.
»Mhm«, machte Schwartz noch mal und wandte sich dann wieder den beiden Pionteks zu.
»Warum haben die die Prostituierten mitgenommen?«
»Warum nimmt Mann ‘ne Prostituierte mit?« Klaus Piontek hob spöttisch die Hände. »Weil er ‘n Skatbruder braucht?«
Alle lachten. Auch Schwartz, weil er ja ein so irre freundlicher Mensch war und sich über jeden noch so beknackten Witz freute. Haha, wie lustig. Schlagartig wurde er wieder ernst. »Und der Betreiber des Busses? Wo steckt der?«
»Wissen wir nicht«, antwortete Tobi, »eine Frau hat gesagt, der Mann, der den Bus gefahren
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