Großstadtvampire (German Edition)
Arbeitskollegen erkannte und ihn denunzierte.
"Her damit", forderte Lohmann ungeduldig. Dieter nahm ein Blatt von seinem Clipboard und reichte es Lohmann. Dabei konnte er sein Grinsen nur schwer unterdrücken. Was soll diese blöde Grinsen, dachte Lohmann noch, als nach dem Blatt griff.
Offenbar hatte der Zeuge eine sehr genaue Beschreibung abgeliefert. Die Zeichnung wirkte sehr naturgetreu. Wenn man davon absah, dass sie einen Vampir darstellte. Spitze Eckzähne, stechend böser Blick, insgesamt wirkte die Zeichnung eher wie ein Comicentwurf und der Mörder war als ein Furcht erregender Vampir eingefangen worden. Mehr genervt als enttäuscht ließ Lohmann die Zeichnung sinken.
"Sehr witzig!"
"Das ist er! Genau so hat er ausgesehen!" Es war Bruno, der an Lohmann und Dieter herangetreten war und erregt um seine Glaubwürdigkeit kämpfte. "Sie müssen mir glauben. Ich spinn doch nicht herum!" Lohmann blickte Dieter fragend an. Der zog nur vielsagend die Augenbrauen in die Höhe.
"Ich schwör's bei allem, was mir heilig ist. Der Typ hat genauso ausgesehen!" Lohmann sah sich Bruno genauer an. Der Mann war wütend und verzweifelt zugleich. Wahrscheinlich war ihm klar, dass ihm niemand abnehmen würde, dass er einen Vampir gesehen hatte. Aber sein Blick, der suchend zwischen ihm und Dieter hin und her sprang, war eindringlich und voller Überzeugung. So sah nicht jemand aus, der seine Geschichte gewinnbringend verkaufen wollte. Der Mann sagte die Wahrheit – auf jeden Fall war er davon überzeugt, die Wahrheit zu sagen. Lohmann blickte noch einmal auf die Zeichnung.
"Sie wollen wirklich behaupten, dass der Mörder so ausgesehen hat?"
"Ja. Genau so." Bruno tippte mit seinem Zeigefinger auf die Zeichnung, um seine Aussage zu unterstützen. Lohmann überlegte. Vielleicht hatte die Zeichnung doch ihren Nutzen. Selbst wenn vielleicht - oder vielmehr höchstwahrscheinlich - Brunos Fantasie mit ihm durchgegangen war, konnte man daraus seinen Nutzen ziehen. Lohmann hatte auch schon eine Idee. Aber zuerst wollte er noch herausbekommen, was Bruno wirklich gesehen hatte. "Erzählen Sie mir alles, woran Sie sich erinnern können."
Johannes hatte verschlafen. Er war ins Bad gestürzt und hatte sich für die Arbeit frisch gemacht, soweit das in seinem verkaterten Zustand möglich war. Nun zog er die Jalousien ein wenig nach oben, um etwas Licht in die Wohnung zu lassen. Es war bereits Mittag und die Sonne stand hoch am Himmel. Da seine Wohnung auf der Nordseite lag und noch dazu auf den Hinterhof blickte, war die Gefahr direkter Sonneneinstrahlung nicht gegeben. Gefahr ging von der Sonne soundso keine aus. Heute wusste man, dass es höchstens einen Sonnenbrand davon gab. Nur im Extremfall, wenn man sich zum Beispiel einen ganzen Tag am Strand in die Sonne legte, lief man Gefahr am Ende so dehydriert zu sein, dass man zu Staub zerfiel. Aber wie gesagt, nur im Extremfall und dann musste man es wirklich darauf anlegen. Anderseits kam Igor aus dem ländlichen Rumänien und wer wusste schon, ob die Neuerungen sich dort bereits herum gesprochen hatten. Damals in Wien hatten sie beide noch immer sorgsam darauf geachtet, ihre nächtlichen Eskapaden vor Sonnenaufgang beendet zu haben.
Vorsichtig öffnete Johannes den Deckel des Kontrabasskoffers, der nun auf dem Boden lag. Igor lag verwinkelt und eingezwängt darin. Johannes wunderte sich, wie er überhaupt darin schlafen, geschweige denn sich wohlfühlen konnte. Aber Igor hatte auf den Koffer bestanden und Johannes' Schlafcouch ausgeschlagen. Igor öffnete verschlafen ein Auge. "Bist du verrückt? Es ist noch hell draußen."
"Es tut mir leid", entschuldigte sich Johannes, "aber ich muss jetzt los. Ich wollte dir nur schnell Bescheid sagen."
"Was?" Igor verstand nicht.
"Ich muss zur Arbeit", versuchte sich Johannes sich zu verteidigen.
Igor schüttelte nur den Kopf. "Du Armer! Kümmern sich deine Eltern so schlecht um dich? Mach dir keine Sorgen. Ich habe genügend Gold mitgebracht. Das reicht für uns beide. So, jetzt leg dich wieder hin. Du brauchst nicht mehr zu arbeiten."
Johannes musste lächeln. "Nein, du verstehst nicht. Ich arbeite gerne. Ich muss jetzt wirklich los. Ich bin gegen acht wieder da."
"Ja und?" Igor wusste nicht, was er mit der Information anfangen sollte. Johannes erklärte es ihm.
"Geh bis dahin nicht aus der Wohnung. Ich meine, du kennst dich hier nicht aus. Wir sind hier in einer Großstadt und in Berlin machen wir manches anders als ihr in
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