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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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»Wahrscheinlich hätten sie mir sowieso nicht geglaubt.«
    Vielleicht hätten sie sich gewundert, weshalb jemand ein so bequemes Leben in einer südasiatischen Metropole aufgibt, um in der norddeutschen Provinz in zunächst ärmlichen Verhältnissen zu leben. Vielleicht hätten sie nicht verstanden, dass Menschen aus Abenteuerlust und aus einem unbändigen Willen, ein Leben in einer neuen Welt zu beginnen, ausgerechnet in ihr Dorf ziehen. Was sollte an Hollern-Twielenfleth schon abenteuerlich sein?
    Vom Leben in Indien und Pakistan, von den dortigen Familientraditionen mit all den Erwartungen und Regeln und Verpflichtungen hatten sie keine Vorstellung. Also kamen sie nicht auf die Idee, dass jemand einfach ein anderes Lebenskonzept verwirklichen wollte und deshalb siebentausend Kilometer weit weg in eine andere Ecke der Welt zog. Sie waren überzeugt: Die sind hergekommen, weil es ihnen hier wirtschaftlich besser geht. Weil sie einen besseren Lebensstandard suchen und hier endlich einen Herd mit Stromanschluss haben.
    Das erste pakistanische Paar in Hollern-Twielenfleth

    Aber so dachten nur die wenigsten, jedenfalls bekamen meine Eltern es nur sehr selten mit. Die meisten Menschen im Dorf begegneten ihnen mit einer Mischung aus Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, bei manchen war natürlich auch eine Prise Neugier dabei: Wir waren die ersten Pakistaner in dem Dorf und ich bin mir nicht sicher, ob seither jemals wieder eine pakistanische oder indische Familie nach Hollern-Twielenfleth gezogen ist.
    »Ihr fielt damals auf, mit euren schwarzen Haaren«, sagt Gudrun Gondeck. »Was haben deine Eltern gut ausgesehen, deine Mutter mit ihrem langen Haar und in ihren schicken Klamotten!«
    Ich frage mich, was in den Köpfen der Leute vorging, als sie meine Eltern sahen: die Frau immer modisch gekleidet, Schlaghosen, High Heels, blumige Blusen und Kleider, die sie oft selbst nähte, der Mann mit Haaren bis über die Ohren und Elvis-Koteletten fast bis zum Kinn und ebenfalls in weiten Hosen. Dachten sie: So also sehen Pakistaner aus? Hätte meine Mutter Kopftuch oder Burka getragen, wie es manche Frauen in Pakistan tun, oder einen Sari – was hätten die Leute in Rastede, in Mannheim, in Hollern dann gesagt? Welchen Unterschied hätte es gemacht?
    Was die Kleidung betraf, waren meine Eltern längst im Westen angekommen: Im Schrank meiner Mutter hingen zwar noch ein paar Saris, fünf Meter lange, bunte Tücher, die auf eine ganz bestimmte Art und Weise um den Körper gewickelt werden, aber sie trug sie kaum noch. Mein Vater benutzte seinen Shalwar Kameez als Haus- und Schlafanzug.
    Pakistan war nach Jahren der Militärdiktatur erstmals wieder demokratisch regiert zu jener Zeit. Wenn mal etwas über dieses Land zu lesen war oder im Fernsehen lief, ging es häufig um Kaschmir und den Hass auf Indien, seltener um die wachsende Armut. Von Islamisten, bedrohlichen Koranschulen und Selbstmordattentätern war damals noch nicht die Rede.
    Ausländer waren kein neues Phänomen in Hollern-Twielenfleth: In dem Ort lebten, wie in der ganzen Region, Türken, manche mit Familie, andere alleine. Sie bekamen von den Landwirten meist ein Zimmer und ein bisschen Geld und halfen dafür bei der Obsternte mit. Gelegentlich fuhr die Polizei durch die Straßen und kontrollierte ihre Papiere – für uns Dorfkinder spannende Augenblicke im Alltag. Manche Türken wurden weggeschickt, vermutlich in die Türkei, wohin sonst, waren aber ein paar Wochen später wieder da. Kein Wunder, dass sie sehr zurückgezogen lebten und Kontakte zu anderen Dorfbewohnern mieden. Sie taten niemandem etwas und waren akzeptiert, nicht mehr und nicht weniger – und wer sonst hätte den Bauern damals für so wenig Geld geholfen?
    Als ich sieben Jahre alt war, freundete ich mich mit einem Türken an, der auf einem benachbarten Obsthof aushalf. Mehmet war immer sehr freundlich zu mir und schenkte mir regelmäßig Zitronenbonbons. Mit seinem unrasierten Gesicht und seinem schwarzen Haar im anfänglichen Ergrauungsstadium kam er mir uralt vor – er muss vielleicht Anfang dreißig gewesen sein.
    Mehmet erzählte mir, dass die Menschen in der Türkei Zwiebeln »wie Apfel« essen. Er trat den Beweis an, nahm eine Zwiebel, häutete sie und biss herzhaft hinein. Mir reichte er auch eine und ich tat es ihm nach. Meine Augen tränten, aber nach einer Explosion im Gehirn verwandelte sich das Brennen in eine angenehm scharfe Süße. Seither bin ich ein großer Freund von Zwiebeln,

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