Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
ungefähr um achtzehn Uhr verschwunden und der Großvater hat ungefähr um 19.50 Uhr angerufen. Korrekt?«
»Ja.«
»Haben Sie den Großvater, wenn auch nur informell, gefragt, warum er fast zwei Stunden gewartet hat, bevor er Alarm schlug?«
»Keine Ahnung, warum er so lange gewartet hat. Wahrscheinlich hat er selbst gesucht...«
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Tenente. Ich habe Sie nicht nach Ihrer Meinung zu diesem Umstand gefragt. Ich habe Sie gefragt, ob sich der Großvater irgendwie dazu geäußert hat, dass er erst zwei Stunden nach Verschwinden des Jungen bei den Carabinieri angerufen hat. Können Sie mir diese Frage beantworten?«
»Nein. Ich weiß nicht mehr, ob er dazu etwas gesagt hat.«
»Erinnern Sie sich, ob Sie es ihn gefragt haben, wenn auch nur informell?«
»Nein, daran erinnere ich mich nicht.«
»Ist es demnach korrekt zu sagen, dass Sie nicht wissen, was in den zwei Stunden zwischen dem Verschwinden des Kindes und dem Notruf des Großvaters passiert ist?«
»Hören Sie mal, Avvocato, ich hatte in diesem Moment Wichtigeres im Kopf, ich hab mich gefragt, wie und wo wir das Kind finden können, wie ich meine Suchtrupps organisiere, nicht, warum der Großvater sich so spät bei uns gemeldet hat.«
»Natürlich, keiner stellt in Frage, dass Sie völlig korrekt gehandelt haben. Ich wollte Ihnen aber noch ein paar Fragen stellen. Sie erwähnten vorher, bevor der Staatsanwalt Sie unterbrochen hat, dass die Eltern des Kindes getrennt leben...«
Der Staatsanwalt unterbrach auch mich.
»Einspruch, Herr Vorsitzender, ich verstehe nicht, was der Umstand, dass die Eltern des Kindes getrennt leben, mit unserem Fall zu tun hat.«
Auch Cotugno schaltete sich ein.
»Der Nebenkläger schließt sich dem Einspruch an. Diese Familie hat eine fürchterliche Tragödie hinter sich, und es ist nicht einzusehen, weshalb in ihren privaten Angelegenheiten herumgewühlt werden soll. Zumal das überhaupt nichts mit unserem Prozess zu tun hat.«
Normalerweise hätte ich nicht insistiert. Ich hatte diese Frage nur gestellt, weil ich ein wenig das Terrain sondieren wollte und weil der Staatsanwalt den Hauptmann bei diesem Thema unterbrochen hatte. Jetzt kam mir die Reaktion meiner Widersacher jedoch übertrieben vor und deshalb beschloss ich, noch ein wenig auf den Busch zu klopfen. Mal sehen, was passierte.
»Herr Vorsitzender, ich verstehe nicht, warum der Herr Staatsanwalt und die Nebenklägerseite so empfindlich reagieren. Ich habe großes Mitgefühl für die Familie und großen Respekt für ihre Trauer. Ich möchte mit meiner Frage auch nicht in ihre Intimsphäre eindringen, sondern lediglich verstehen, was in den Minuten und Stunden nach dem Verschwinden des Kindes passiert ist und ob die Eltern sich an der Suche beteiligt haben.«
»Wenn Sie diesen Rahmen nicht sprengen, lasse ich Sie weiterreden, Avvocato.«
»Danke, Herr Vorsitzender. Wir waren also dabei, dass die Eltern des Jungen getrennt gelebt haben – oder leben? Ist das richtig?«
»Ich glaube ja.«
»Wann haben Sie das erfahren?«
»Vor Ort.«
»Waren die Eltern des Kindes vor Ort?«
»Nein.«
»Wissen Sie, wo sie sich befanden?«
»Nein. Das heißt, ich glaube, dass die Mutter ein paar Tage verreist war, wo der Vater war, weiß ich nicht.«
»Wie haben Sie das erfahren?«
»Herr Abbrescia, der Großvater mütterlicherseits, hat es mir erzählt, als ich zu seinem Haus kam.«
»Hat Herr Abbrescia Ihnen auch erzählt, ob die Eltern über das Verschwinden ihres Kindes unterrichtet worden waren?«
»Ja, er sagte mir, dass er seine Tochter auf dem Handy erreicht habe und dass sie bereits unterwegs sei, auf dem Rückweg von... ich weiß nicht mehr, woher. Vielleicht hat er es mir auch gar nicht gesagt. Jedenfalls sah ich die Mutter irgendwann spät am Abend in dem Ferienhaus auftauchen, das uns als Basis für unsere Operationen diente.«
»Und was war mit dem Vater?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich habe Herrn Rubino erst am nächsten Tag gesehen, aber ich habe keine Ahnung, wann und woher er kam.«
»Wissen Sie, ob er auch im Urlaub war?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Wissen Sie, ob die Großeltern außer der Mutter auch den Vater angerufen haben?«
»Nein, weiß ich auch nicht.«
»Allgemeiner ausgedrückt: Wissen Sie, wer den Vater des Jungen informiert hat?«
»Nein.«
»In jedem Fall war am Abend des Verschwindens nur die Mutter anwesend, der Vater war nicht da. Stimmt das?«
»Das ist
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