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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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beendet.
    Nur Rune Jansson hatte noch etwas vor sich. Er sollte in zwei Minuten die erste Pressekonferenz seines Lebens abhalten. Am Ausgang sah er schon Journalisten und Fotografen. Einige der Eifrigsten unter ihnen drängten sich durch den Strom der Polizeibeamten, die den Saal verließen, um sich einen guten Platz möglichst weit vorn zu sichern. Die Eifrigsten waren ausgerechnet die Leute, die mit Mikrophonen und Kameras, Fernsehkameras und Spotlights erschienen waren.
    Rune Jansson verabscheute Journalisten. Oder, genauer, er verabscheute seine Furcht vor Journalisten.
    Carl war auf das Montagstreffen mit dem Chef des schwedischen Nachrichtendienstes gespannt. C OP 5, Kapitän zur See Samuel Ulfsson, war die offizielle Bezeichnung des Mannes, den Carl nie anders als Sam nannte, zumindest wenn sie unter vier Augen waren, was bei ihren Begegnungen meist der Fall war.
    Die Montagstreffen waren neuerdings langwierig und kompliziert, da die Entwicklung in Osteuropa für alle westlichen Nachrichtendienste erhebliche Mehrarbeit bedeutete. Und da Carl neuerdings stellvertretender Chef der geheimsten aller Abteilungen war, der Sektion für besondere Erkenntnisgewinnung, deckte sein Arbeitsgebiet mehrere disparate Felder ab. Natürlich war er für besondere Operationen verantwortlich, doch das war normalerweise die Funktion, die fast nie in den gewohnten Dienstablauf einfloß. Denn wie man diese Funktion auch umschrieb, so ging es dabei immer um eine Notlage oder eine Tätigkeit, bei der die Gefahr bestand, mit Gesetzen und Verordnungen in Konflikt zu geraten. Gerade solche Konflikte konnten, wie Sam es zu beschreiben pflegte, »in der jeweils herrschenden politischen Lage« für die gesamte Tätigkeit verheerende Folgen haben.
    Die herrschende politische Lage sah ganz einfach so aus, daß verschiedene Parteifreunde in der Genossen-Elite der Regierungspartei eine geheime Parallelpolizei aufgebaut hatten, nämlich in der Absicht, auf eigene Faust neben der Sicherheitspolizei die Feinde des Reiches aufzuspüren, und zwar mit Hilfe etlicher illegaler Methoden.
    Das Anstößigste daran war jedoch die Tatsache, daß sie sich dabei hatten erwischen lassen und das Land damit in ein tiefes Mißtrauen gegen alles gestürzt hatten, was mit geheimen Organisationen sowie Nachrichten und Sicherheitsdienst zu tun hatte. Damit war der militärische Nachrichtendienst zum Teil gelähmt, da die Gefahr eines Flops, wie die amerikanischen Vettern so etwas nannten, das heißt das Risiko, erwischt zu werden und in Produkten des investigativen Journalismus und anderem Teufelszeug zu figurieren, sich verdoppelt hatte. Was noch vor ein paar Jahren ein üblicher kleiner Abhörskandal gewesen wäre, würde in der heutigen Lage zu einem ungeheuren Lauschangriff. Überdies brachte man den Nachrichtendienst mit verschiedenen politischen Gangstern in Verbindung. Hinzu kam, daß die hohen und höchsten Beschützer der politischen Gangster gegen außenstehende Militärs ganz anders mit den Muskeln spielen konnten als gegen ihre eigenen Leute.
    Die operative Tätigkeit lag folglich mit allem, was sie umfaßte, ziemlich am Boden. Zumindest was das eigene Kerngebiet betraf, wie die Umschreibung für das schwedische Territorium lautete.
    Bei den Verhältnissen etwa im Baltikum sah es anders aus. Die dortige nachrichtendienstliche Tätigkeit war dieses oder jenes Risiko wert. In der Verteilung der Geldmittel des Nachrichtendienstes hatten die sogenannten »Reisenden« eine mehr als doppelte Priorität erhalten. Dort wurden Risiken eingegangen, dort konnte man also geschnappt werden.
    Aus genau diesem Grund beschäftigte sich Carl überhaupt nicht mit der Spionage im Baltikum und im übrigen Osteuropa. Er war neuerdings viel zu kostbar für die schwedischen Streitkräfte, als daß man ihn in irgendeinen Skandal verwickelt sehen wollte. Carl war, wie der vor kurzem ernannte Marinechef es formuliert hatte, das größte PR-Aktivum, das die schwedischen Streitkräfte seit den Tagen von Döbelns gehabt hatten. Er durfte sich also nicht mit gefährlichen Dingen beschäftigen, ganz im Gegenteil. Die Informationsabteilung des Generalstabs hatte sogar mehrmals vorgeschlagen, Carl solle in Schulen und bei Rotary-Clubs herumreisen und Vorträge über die Streitkräfte und die Notwendigkeit höherer Wehretats halten.
    Der Modus vivendi, den Sam ausgeknobelt hatte, machte Carl zum Hauptverantwortlichen für Analyse und Bearbeitung der Erkenntnisse der gesamten Abteilung.

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