Gwydion 01 - Der Weg nach Camelot
Durcheinander war kein Wort mehr zu verstehen. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Aufregung gelegt und jeder wieder Platz genommen hatte.
„Wo sammeln sie sich?“, fragte Artur.
„An der Küste von Tintagel hat Mordred eine Burg errichtet, die wie ein Zerrbild Camelots aussieht“, sagte Sir Kay. „Dort haben wir ein Heerlager mit gut viertausend Kriegern gesehen. Bisher war es nie ein Problem gewesen, die Sachsen zurückzudrängen, aber ich befürchte, dieses Mal wird es nicht so einfach sein. Mordred hatte genügend Zeit, sie auszubilden.“
„Was ist mit Sir Urfin?“, wollte Sir Tristan wissen. „Wieso ist sein Platz leer?“
„Urfin ist ein Verräter“, sagte Sir Kay. „Wir haben ihn in den Kerker werfen lassen.“
„Wie das?“, fragte Sir Tristan verwirrt. „Er ist eines der ältesten Mitglieder der Tafelrunde und hat stets das größte Ansehen auch unter seinesgleichen genossen.“
„Und dennoch hat er versucht, Camelots größten Schatz zu stehlen.“ Merlin schaute den König fragend an und Artur nickte. „Denn bei allen düsteren Nachrichten haben wir auch etwas Gutes zu vermelden.“ Merlin räusperte sich, bevor er lächelnd verkündete: „Nach all den Jahren des Suchens ist das Buch des Joseph von Arimathäa endlich wieder vollständig.“
„Ihr habt Humbert von Llanwick gefunden?“, fragte Sir Parcival.
„Ja“, sagte Merlin.
„Und wo ist er dann? Habt Ihr ihn etwa ziehen lassen?“
Merlin lächelte schwach. „Wie man es nimmt. Er ist tot.“
„Dann hat er sein gerechtes Ende gefunden“, sagte Parcival zufrieden und setzte sich.
„Nein, er hat kein gerechtes Ende gefunden!“, rief Gwyn und sprang auf.
„Gwyn, bist du wahnsinnig geworden?“, flüsterte Rowan entsetzt. „Halt den Mund und setz dich wieder hin!“ Doch Gwyn hörte nicht.
„Er starb, um uns zu retten. Ohne ihn würden weder Merlin noch Sir Kay hier stehen.“
„Knappe, du vergreifst dich im Ton“, rief Sir Kay mit gebieterischer Stimme. „Man hat dir nicht das Wort erteilt.“
„Humbert von Llanwick hätte es tausendmal verdient, an dieser Tafelrunde zu sitzen! Er ist kein Dieb, er hat die fehlenden Seiten des Buchs von Lancelot erhalten.“
Sir Kay nickte außer sich vor Zorn einer Wache zu, um Gwyn abführen zu lassen.
„Wartet!“, rief eine Stimme. „Lasst den Jungen ausreden. Ich erteile ihm hiermit das Recht, vor dieser Versammlung zu sprechen.“
Königin Guinevra war jetzt aufgestanden und forderte Gwyn durch eine Geste auf weiterzureden. Gwyn bemerkte, dass das Gesicht des Königs zu einer steinernen Maske erstarrt war.
„Kurz bevor Humbert starb, hat er mir dieses Geheimnis anvertraut. Lancelot hat die Seiten entwendet. Erst später, als die Last zu groß für ihn geworden war, hat er sie Humbert anvertraut.“
„Wann ist das gewesen?“, fragte Guinevra.
„Humbert hatte Lancelot das letzte Mal vor einem Jahr lebend gesehen“, gab er zur Antwort und sah, wie die Wangen der Königin auf einmal glühten.
„Ich wiederhole es noch einmal: Humbert von Llanwick hat den Tod gewählt, damit wir leben. Der König muss seine Ehre wieder herstellen!“
Schweigen erfüllte die große Halle. Artur erhob sich langsam und wirkte auf einmal sehr alt und müde. „Wir haben deine Worte gehört, Gwyn Griflet. Du kannst dich setzen.“
Zögernd und mit zitternden Knien nahm Gwyn wieder Platz.
„Das war das erste Mal, dass die Königin in einer Versammlung das Wort ergriffen hat und sich dabei gegen den König stellte“, flüsterte Rowan verblüfft.
„Das sind die Schatten der Vergangenheit“, murmelte Cecil. „Sie holen uns alle wieder ein.“
„Also ist der Weg zum Gral endlich frei!“, rief Sir Galahad auf einmal und sprang auf. „Dann lasst uns sofort aufbrechen und ihn suchen. Mit dem Kelch des Abendmahls in unseren Händen wird Mordred scheitern, egal wie groß seine Übermacht ist!“
Rufe der Zustimmung waren zu hören, bis Merlin die Hand hob. „So einfach wird es nicht sein. Ich habe die fehlenden Seiten untersuchen können. Nur so viel kann ich sagen: Die Suche wird mehr Zeit beanspruchen, als wir haben.“
„Aber wozu ist dann dieses Buch überhaupt gut?“, sagte Sir Galahad enttäuscht.
„Joseph von Arimathäa war ein schlauer Fuchs. Das musste er als Kaufmann auch sein, sonst hätte er es nicht so weit gebracht. Er hat den Weg zum Versteck des Heiligen Grals so beschrieben, dass ihn nur Eingeweihte finden können. Wir alle dachten, dass die letzten
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