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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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würde. Wahrlich, sie erlebten die letzten Tage einer Epoche, die mit Arturs Krönung so vielversprechend begonnen hatte und die nun in ein dunkles Zeitalter überging, das womöglich Jahrhunderte andauern konnte. Jahrhunderte ohne Hoffnung auf Erlösung. Einen Vorgeschmack auf die Verzweiflung, die diese Zeit beherrschen würde, hatten sie auf dieser Reise ein ums andere Mal bekommen.
    Anderida war eine Festungsanlage, die von den Römern auf einer vorgelagerten Halbinsel namens Pefele angelegt worden war, um dem steten Ansturm von Sachsen und Jüten die Stirn zu bieten. Die Ruinen der Befestigung waren nicht sonderlich alt. Es mochten vielleicht zehn Jahre seit der letzten großen Schlacht verstrichen sein.
    „Das würde zu den Aufzeichnungen passen, die ich in der Bibliothek meines Vaters gefunden hatte“, sagte Katlyn mit Blick auf die noch immer imposante Anlage. „Im Jahre 449 hat hier eine Schlacht stattgefunden, die die Geschicke der Insel bis zum heutigen Tag bestimmt. Ein skrupelloser General namens Vortigern schloss damals einen Pakt mit dem sächsischen Feind, um die eindringenden Jüten zu vertreiben. Leider hatten die Sachsen nach diesem Krieg kein Interesse daran, einmal gewonnenes Land zu verlassen, und blieben. Hier bei Anderida hat die letzte Schlacht zwischen ihnen und Vortigern stattgefunden.“
    Sie waren die Treppe eines halb eingestürzten Turmes hinaufgestiegen, um einen Blick über das Land und das Meer zu werfen.
    „Vortigern?“ Gwyn stutzte. „Arturs Großvater war der Herr dieser Feste?“
    Katlyn nickte. Gwyn erinnerte sich an die Geschichte, die ihm Lancelot erzählt hatte. Der Einfall der Sachsen in Britannien war ein Problem, das von der Familie der Pendragons selbst heraufbeschworen worden war. Gwyn stützte sich auf die Zinnen der Ummauerung und schüttelte den Kopf. Obwohl ihm eigentlich nicht zum Lachen zumute war, entging ihm nicht die Ironie dieser Tatsache. „Der Kreis schließt sich, nicht wahr?“, sagte er zu Lancelot.
    „Anderida war stets ein Ort, der in unserer Geschichte eine wichtige Rolle spielte.“ Lancelot deutete auf das Meer. „Auf der anderen Seite liegt Gallien. Jede Armee, die von diesen Gestaden aus Britannien erobern will, wird hier anlanden müssen. So haben es seinerzeit die Römer getan und wer weiß, wer ihnen in den kommenden Jahrhunderten folgen wird.“
    Gwyn blickte auf und starrte hinaus auf das offene Meer. Und plötzlich nahm eine Idee in seinem Kopf Gestalt an, die so absurd, so losgelöst von seinem eigenen Empfinden war, dass er glaubte, eine höhere Macht habe sie ihm in diesem Moment eingepflanzt: Seine Zukunft lag nicht hier in Britannien oder Wales, sondern weit im Süden, am anderen Ufer des Kanals.
    In Gallien.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag und er zog scharf die Luft ein. Erschrocken taumelte er einen Schritt zurück.
    „Gwyn, um Himmels willen!“, rief Katlyn und packte ihn beim Arm, damit er nicht stürzte. „Was ist mit dir?“
    „Nichts“, murmelte er und suchte nach Halt. „Es ist alles in Ordnung.“
    Doch das stimmte natürlich nicht. Etwas war in diesen Sekunden mit ihm geschehen. Ein seltsames Ziehen kitzelte in seinem Bauch, als würde sich sein ganzer Körper neu ausrichten. Es war ein mächtiges, beängstigendes Gefühl, das nur langsam abebbte. Vorsichtig strich er sich mit der flachen Hand über den Bauchnabel, der schmerzte, als hätte man einen Haken in ihm versenkt, an dem jetzt eine unsichtbare Macht zog.
    „Bist du sicher?“, fragte Katlyn besorgt.
    Gwyn nickte. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. „Ganz und gar.“ Es gelang ihm sogar zu lächeln. „Ich bin nur ein wenig erschöpft. Und hungrig.“
    „Dann dürfte dich freuen, was ich gefunden habe!“ rief Muriel vom Fuß der Treppe zu ihm hinauf. Hinter der landseitigen Umfriedung blickte man auf die Reste einer römischen Siedlung, von der zwar nur noch die Grundmauern standen, die Bäume in den verwilderten Gärten trugen jedoch reichlich Früchte.
    Muriel hatte bereits einen ganzen Beutel gepflückt und warf Gwyn einen prallroten Apfel zu. Er fing ihn ungeschickt auf. Der Schmerz in seinem Nabel wurde schwächer. Gwyn rieb den Apfel an seinem Hemd sauber und biss hinein, nur um das Stück sogleich wieder auszuspucken. Im Kerngehäuse krümmte sich ein dicker Wurm. Angewidert ließ er den Apfel fallen.
    „Nimm einen anderen“, sagte Rowan. „Hier wachsen genug von ihnen und es wird sich bestimmt ein Apfel finden lassen, der nicht

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