Haertetest
nichts dagegen haben, wenn wir mal im Theater vorbeischauen und seine Praktikantin kennenlernen. Du bist immerhin seine Frau!« Ihre Augen funkelten.
Ja, vielleicht war es keine schlechte Idee, wenn sie sich so für die Jonas-Jessica-Geschichte interessierte. Einerseits half sie mir damit ja, zu beweisen, dass zwischen den beiden nichts lief, auf der anderen Seite hatte sie keine Zeit, mit ihrem Internetflirt Dummheiten zu machen.
Ich gab mich geschlagen. »Ja, Gott, meinetwegen.«
»So, aber das ist ja noch lange nicht alles. Punkt drei: Handykontrolle!«
Ich sollte sein Handy kontrollieren? Nie im Leben! Womöglich stand dort etwas, was ich gar nicht wissen wollte!
»Punkt vier: Du musst seine Taschen durchsuchen, wenn er schläft. Punkt fünf: Du musst die ganze Wohnung auf den Kopf stellen, die Schubladen durchsehen! Punkt sechs: seine Kontoauszüge checken! Vielleicht hat es ominöse Buchungen gegeben, die er dir verheimlicht hat? Punkt sieben: Achte mal auf seine Körperpflege. Nimmt er jetzt ein anderes Deo oder ein Parfüm?«
Sie überlegte eine Weile.
»Du könntest zu einer Wahrsagerin gehen.« Ah ja. Natürlich. Eine Wahrsagerin. Warum war ich da nicht von selbst draufgekommen?
Jetzt wurde es mir aber zu bunt.
»Das ist doch wirklich albern. Was soll das denn bringen?«, warf ich entrüstet ein.
»Ruhe! Willst du es nun wissen, oder nicht? Und Punkt neun: Du könntest ihn zum Treuetest anmelden! Du kennst doch die Leute von Megaradio von früher!«
Das stimmte zwar, weil ich bei dem Sender mein Volontariat gemacht hatte, aber man musste es ja nun nicht gleich übertreiben.
»Lilly, das ist doch Quatsch! Die Treuetests sind sowieso nicht echt!« Trotzdem ergab ich mich und schrieb alles artig auf. Ob wir das dann wirklich in die Tat umsetzten, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Um die Liste mit einem zehnten Punkt abzurunden – sie sah sonst so unvollständig aus –, fügte ich einen letzten Schritt hinzu: Konsequenzen! Und unterstrich das Wort zweimal dick. Wenn sich aus all dem ergab, dass Jonas mir untreu war, musste ich den Worten Taten folgen lassen. Auch wenn ich lieber feige gewesen wäre und das alles am liebsten nicht wahrgehabt hätte. Ich deutete auf das letzte Wort, und Lilly nickte bestätigend.
Als ich fertig war, hatte ich das Gefühl, mir noch nie so sehr eine Zigarette verdient zu haben wie jetzt, und rauchte artig aus dem Küchenfenster. Ob ich Jonas bei meinen ehemaligen Kollegen für den Treuetest anmeldete, würden wir ja noch sehen. Ich hoffte, dass es dazu nicht kommen würde, weil wir vorher schon seine Unschuld beweisen konnten. Und wie hieß es immer so schön? Im Zweifel für den Angeklagten, unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils.
Oben weinte etwas. O nein, Maja war wach!
»Maaaaaamiiii!«, schluchzte sie durchs ganze Haus.
»Scheiße!«, fluchte ich, warf meine Kippe aus dem Fenster und wusch mir ganz schnell die Hände mit Spülmittel, damit ich nicht nach Rauch stinkend bei Maja ankam.
Lilly faltete geistesgegenwärtig die Liste zusammen und streckte sie mir entgegen, ich stopfte sie in meine Hosentasche. Sie kippte schnell den letzten Schluck ihres Weins und stand auf.
»Ich geh dann mal. Bis morgen, Süße! Ich hol dich um halb eins ab, okay?«
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und drückte mich.
»Ja, bis morgen!« Ich brachte Lilly nicht zur Tür. Den Weg nach draußen und nach Hause kannte sie, sie ging ihn seit drei Jahren fast täglich.
Maja hatte schlecht geträumt, und ich legte mich zu ihr ins Bett, bis sie wieder schlafen konnte. Natürlich döste ich, beduselt vom Wein, geschafft von all den Gedanken und vom anstrengenden Tag, neben ihr ein.
Dienstag 19.10.
Im Sendestudio blendet die Sonne, sodass ich auf den Monitoren kaum etwas erkennen kann. Den Staub müsste auch mal dringend jemand wegwischen, aber ich bin ja nicht zum Putzen hier, sondern zum Moderieren. Wie ging das gleich noch mal? Ääh ja, also Kopfhörer auf, die Uhr zeigt 11.59, das vorproduzierte Wetter läuft, um Punkt 12 starte ich meine Sendung.
Das erste Mal seit fünf Jahren sitze ich wieder hinterm Pult, bin aufgeregt, freue mich, hab lange auf diesen Tag gewartet – und merke auf einmal entsetzt, dass ich vergessen habe, dafür zu üben! Lava fließt durch meine Adern, in meinen Lungen brennt Feuer. Mir wird siedend heiß, und ich kriege keine Luft mehr. Wo ich bis eben noch großspurig dachte: »Pah, das wär doch gelacht«, fällt mir jetzt auf, dass
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