Haertetest
zum Erfolg – ich glaube, ich spinne!«
Wir alle wussten, dass das Schlagen von Kindern in Deutschland – schlimm genug – erst seit dem Jahr 2000 verboten war! Und um Frau Schmidt-Günther nichts zu unterstellen: Sie meinte die »harte Hand« wohl eher im übertragenen Sinne. Hoffte ich zumindest. Trotzdem zog sie meiner Meinung nach zu enge Grenzen. Und ich würde mich mit Sicherheit nicht ihren diktatorisch anmutenden Regeln unterwerfen, geschweige denn ihre Erziehungsratschläge annehmen.
Die Mama von Jytte stimmte mir zu, und zwar lautstark. »Also, ich melde Jytte gleich ab.« (Das würde sie sicher nicht tun, denn sie würde keinen anderen Kindergartenplatz bekommen – und die Fischer wusste das.)
Wie eine Schlange ihre Beute fixierte sie uns – die Mama von Jytte, die Mama von Oskar, die Mama von Tapsi und mich – eine nach der anderen. Jetzt streckte sie sogar ihre Zunge ein bisschen zwischen den faltigen Lippen hervor. Gleich würde sie sich auf die Mama von Jytte stürzen und sie mit einem Happs verschlingen! Iiih!!
Ich musste schnell mit diesen Fantasien aufhören! Sonst bekäme ich noch Albträume von Frau Fischer, und meine bisherigen Albträume und meine ganz realen Sorgen reichten mir eigentlich. Sie wedelte weiter finster dreinblickend mit ihrem Zettel, sagte aber nichts zu ihrer Verteidigung. Ratlos sah ich die anderen Mütter an. Und machte einen mutigen, einen sehr mutigen Schritt.
»Äh – raucht hier jemand?«
Die anderen starrten mich an, Frau Fischer besonders feindselig. Die Mama von Jytte nickte zögernd.
»Also, gelegentlich … manchmal schon. Aber nie vor den Kindern!«
Die Mama von Tapsi schüttelte den Kopf. »Nö, ich hab aufgehört.«
»Ich meine nur, wir könnten das doch kurz draußen vorm Tor besprechen, was meint ihr? Ich heiße übrigens Sophie«, stellte ich mich drei Monate nach Beginn des neuen Kindergartenjahres einmal artig vor. Klar hatten wir unsere Namen alle irgendwann mal beim Elternabend auf einen Aufkleber gekrickelt und den an unsere Brüste gepappt, aber da hatten wir wohl alle nicht genau hingeguckt. Ich hatte mir jedenfalls keinen einzigen Namen gemerkt. Vielleicht war ich bei dem Elternabend einfach zu müde gewesen, um mir irgendetwas einprägen zu können.
»Saskia«, sagte die Mama von Jytte, lächelte erleichtert und gab mir die Hand. Ihr Blick war offen und warmherzig, sie war viel freundlicher, als ich sie eingeschätzt hatte.
»Julia«, murmelte die Mama von Oskar, und Tapsis Mutter schloss sich der Runde an.
»Ich bin Irene, freut mich!« Auch sie gab mir die Hand. Die Mama von Konrad huschte mit Konrad an uns vorbei, schob den kleinen Konni in die Gruppe, gab ihm ein Küsschen und fing sich einen Schlangenblick von Frau Fischer ein, die unserer Unterhaltung stumm und böse gelauscht hatte. Sie witterte ein neues Opfer.
»Da!«, bellte sie, und hielt der Mama von Konrad den Zettel entgegen.
»Nix da!«, beeilte ich mich, riss ihr den Zettel aus der Hand – und, wo ich ihn schon mal hatte, gleich in kleine Schnipsel.
»Hallo, ich bin Sophie!«, stellte ich mich auch bei Konrads Mutter vor und erntete ein schüchtern gehauchtes: »Äh – Katharina?«
Wusste sie nicht mal mehr selber, wie sie hieß? Wahrscheinlich hätte sie sich fast mit »Ich heiße Mama« vorgestellt. Wahlweise »Schatz«. Ich machte eine Winkbewegung mit der Hand, forderte die anderen auf, mir zu folgen, und sagte zu Frau Fischer: »Wir werden Ihren geplanten Übungsnachmittag jetzt mal in Ruhe besprechen, und dann sehen wir weiter.«
Frau Fischer zischte »Sssssssie werden schon sssehen, wasss Ssssie davon haben!«
Ja, das würde ich. Und ich dachte, es würde etwas Gutes dabei herauskommen.
Ich übernahm die Rolle des Deltawolfs, wie Maja und ich sagten, also des Alphatiers, und führte mein Wolfsgespann mutiger Mütter nach draußen. Seit Maja den US -Zeichentrickfilm Balto gesehen und den gleichnamigen Halbwolf in ihr Herz geschlossen hatte, mussten wir immer das lustige Spiel Hundeschlittengespann gegen Wolfsschlittengespann spielen, also bellend oder jaulend um die Wette laufen. Dass ich schon nach dem zweiten Mal keine irre Lust mehr dazu hatte, ließ sich erahnen. Seitdem hatte ich aber darauf bestanden, wenigstens immer der Deltawolf zu sein, also der Anführer im Wolfsrudel. So auch hier.
Es nieselte ausnahmsweise nicht, aber der Parkplatz war komplett durchweicht. Die ehemalige Schotterfläche hatte sich in eine finnische
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