Haie an Bord
bald nicht mehr möglich sein«, sagte McHolland ruhig. »Ich habe mich eben verletzt.«
»Na und? Noch gehen Sie und reden Sie.«
»Doktor, Sie wissen es nicht, aber Ihr junger Kollege: Ich muß blutverdünnende Mittel nehmen … ich bin ein künstlicher Bluter …«
»O du Scheiße!« Bender faßte sich an den Kopf. »Wo haben Sie die Wunde?«
»Das ist es ja, Doktor. Wenn man sie sehen könnte, könnte ich mich hinsetzen und meinen Tod beobachten, mit ihm sprechen und hätte bis zum letzten Schnaufer zu tun. Aber so elegant soll ich nicht sterben. Es ist drinnen …«
»Innen? Wo?«
»Im linken Hüftgelenk, weiß ich es? Als ich den Wassersack aus dem Sandhügel zerrte, gab es plötzlich einen verrückten Stich. Es war, als risse etwas. Dann ließ der Schmerz nach, und ich brachte Ihnen den Wassersack. Ist innen etwas kaputt …«
»Ich untersuche Sie gleich, Lord. Erst Eve und Wolff.«
Die beiden rührten sich. Ihr Atem wurde stärker, es konnte nur noch Sekunden dauern, bis sie aus der Ohnmacht erwachten. Bei den Kamelen suchte Abels noch immer nach der Sanitätskiste.
»Ich habe mein Todesurteil gehört«, sagte McHolland ungerührt. »Ein Knacks in der Hüfte. Verrückt, was? Ich kann trotzdem laufen, ich habe kaum Schmerzen, nur so ein taubes Gefühl, als gäbe es dort keine Nerven mehr.« Er nahm das Holzstück aus dem Mund, sah es an und steckte es wieder zwischen die Zähne. »Wie lange lebe ich noch, Doktor?«
»Verdammt, bis 1990!«
»Das wäre fürchterlich. Ein Fossil wie das Biest vom Loch Ness!« Er stützte sich deutlich auf das rechte Bein, anscheinend hatte er links doch mehr Schmerzen, als er zugab. In seinem kantigen Gesicht mit den buschigen Brauen zeigte sich keinerlei Regung. »Die Taubheit wächst, Doktor.«
Wolff erwachte zuerst. Er richtete sich nicht auf, er blieb liegen und sah Bender stumm an. Von den Augen des alten Arztes zogen sich Rillen durch die Staubschicht, hinunter zum Kinn. Straßen der Tränen.
»Du lebst, mein Junge«, sagte Bender und umfaßte Wolffs Kopf. »Und Eve wird auch weiterleben. Sie atmet schon kräftiger. Wenn wir bloß die Sanitätskiste finden könnten. Abels wühlt sich an den Kamelen entlang, bisher ohne Erfolg. Junge, du lebst!«
»Ist das so viel wert?«
»Ich haue dir gleich eine runter!« knurrte Bender. Er hatte Eves Bluse aufgeknöpft und massierte nun ihre Brust. »Leben ist etwas Herrliches – begreifst du das jetzt nicht?«
»Leben, um morgen oder übermorgen doch von dieser Wüste gefressen zu werden. Wozu noch, Bender?«
»Jeder Tag Leben ist herrlich. Man soll nicht eine Stunde davon verschenken.«
»Und morgen krepieren wir elend.«
»Morgen! Jetzt scheint die Sonne, wir haben noch Wasser, wir kommen alle wieder auf die Beine –«, er blickte kurz auf McHolland, der an seinem Holzstück kaute –, »und wir erreichen diesen Brunnen Haraym! Ist es so, Mylord?«
»Wir alle kommen dorthin, wo wir hin müssen –«, sagte McHolland trocken.
Von den Kamelen, auf der anderen Seite des großen wollenen Knäuels, winkte Abels mit der Schaufel. »Ich habe sie. Die Sanitätskiste!«
Wolff wälzte sich auf die Seite und beugte sich über Eve. Sie schlug die Augen auf und lächelte verzerrt.
»Hörst du mich?« fragte sie mühsam.
»Natürlich hört er Sie.« Bender zog Wolff weg. »Das ist keine Erscheinung vor der Himmelstür, sondern Sie leben. Sie leben wirklich.«
»Warum?«
Bender richtete sich auf. »So ist das, Lord –«, sagte er sarkastisch. »Da rettet man zwei junge, liebenswerte Menschen, und was tun sie? Sie fragen dämlich: warum! Täten Sie das auch?«
»Ich würde es tun, wenn Sie jetzt anfangen, sich um mich und meine inneren Blutungen zu kümmern.«
»Los! Sagen Sie: warum. Ich fange an, mich um Sie zu kümmern. Hinlegen, Mylord! Bein gerade! Sie stehen trotz aller britischen Haltung schief da.« Fritz Abels kam mit der Sanitätskiste angekeucht. Er hatte sich alles bis auf die kurze Unterhose ausgezogen. Der Wind trieb den Sand über seinen Schulterverband. McHolland sah ostentativ in die Luft. »Hinlegen!« brüllte Bender.
Wolff hob den Kopf. Eve trank aus dem Wassersack drei lange Schlucke und korkte ihn dann wieder zu.
»Was ist los?« fragte Wolff.
»Seine Lordschaft will ein Engelchen werden«, knurrte Bender. Er untersuchte McHollands Hüftgelenk, bewegte das Bein auf und nieder und sah, wie der Lord die Zähne in das Holzstückchen biß. Plötzlich stand Schweiß auf der ledernen Stirnhaut. Ein
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