Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
anderen beiden nichts mit der Polizei am Hut hatte, vermieden sie es meistens, über den Job zu sprechen, aber dann brachte sie ältere Freundin das Thema selbst zur Sprache.
„ Was ist überhaupt Rasterfahndung?“ fragte Rosie. „Ich erinnere mich dunkel, dass das irgendwie ein total rotes Tuch war für die aufstrebende Linke in den Siebzigern.“
„ Damit hat man versucht – mit wenig Erfolg – Terroristen aufzustöbern“, erklärte Lisa. „Ist aber kein rein deutsches Konzept. Ich erinnere mich an einen Krimi von Colin Dexter, dem ersten Band der Inspector-Morse-Serie, in der Morse das Konzept quasi erfindet, als es darum geht, einen Zeugen zu finden. Mitte der Siebziger war das. Keine Ahnung, aber vielleicht hat die Polizei respektive der Verarschungsschutz die Idee aus diesem Krimi übernommen.“
„ Ist ja witzig“, sagte Rosie, „aber was bedeutet es nun eigentlich?“
Christiane sprang für Lisa ein. „Man knobelt sich einfach ein paar Kriterien aus, die man dem Verdächtigen zuordnet, zum Beispiel Geschlecht, Alter, Wohnort, Staatszugehörigkeit, Gewohnheiten und so weiter. Dann arbeitet man sich quer durch das Register vom Einwohnermeldeamt, sortiert aus, dann kommen die Polizeiakten und andere Register dran, bis man einen überschaubaren Kreis an Verdächtigen hat, und die werden dann überprüft.“
„ Das führte natürlich in erster Linie dazu, dass viele Unschuldige belästigt wurden“, fuhr Lisa fort, „manche wurden sogar in den Knast gesteckt. Regelungen des Datenschutzes wurden und werden auch gerne verletzt. Trotzdem ist das Mittel noch heute recht beliebt, besonders dann, wenn man sonst nicht weiter weiß. Ich persönlich finde das nicht ganz so dramatisch, aber Sven geht bei dem Thema sofort auf die Barrikaden.“
„ Kann ich mir vorstellen“, nickte Rosie, „aber der hat auf den Barrikaden ja sowieso schon seinen eigenen privaten Klappstuhl. Und das BKA macht das jetzt auch mit eurem Fall?“
Lisa zögerte. Sie durfte nicht zu viel erzählen. Dass Rasterfahndung eingesetzt wurde, war bereits öffentlich bekannt, auch wenn es darob kein großes Aufsehen gegeben hatte. Vor zehn Jahren vielleicht noch, aber heute nicht mehr.
„ Ich kann euch nicht die Details nennen, aber die haben eben so ihre Vorstellung von dem Täter. Ich teile sie nur eingeschränkt, aber meine Meinung interessiert die überhaupt nicht.“
„ Wir hatten auch mal das BKA da“, seufzte Christiane teeschlürfenderdings, „das waren vielleicht ein paar Arschgranaten. Haben überhaupt nichts Neues in die Ermittlung gebracht, aber dafür ständig unsere Arbeit kritisiert. Sind dann unverrichteter Dinge wieder von Dannen gezogen, nicht ohne zwei Vergewaltigungsopfer dermaßen zu demütigen, dass sie anschließend überhaupt nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollten.“
„ Ach, so schlimm sind die Typen gar nicht“, sagte Lisa gleichgültig. „Halten sich halt für cleverer, und wer weiß, vielleicht sind sie’s ja auch. Wenn die den Mörder schnappen, soll’s mir recht sein. Ich hab mich ja nicht um den Fall gerissen, und ehrlich gesagt sind mir die drei Opfer alle ziemlich schnuppe. Ich muss zugeben, dass ich von Anfang an nicht richtig motiviert war. Vielleicht habe ich wirklich zu wenig getan.“
„ Und Fabian?“ fragte Rosie.
„ Der ist sowieso kein scharfer Hund. Ich meine, er ist ein guter Kriminalist, aber er ist keiner, der sich Nächte um die Ohren schlägt auf der rastlosen Suche nach dem ruchlosen Mörder, bis die Gerechtigkeit siegt. Er macht seinen Job so gut er kann, und fertig.“
„ Ist auch genau richtig“, sagte Christiane. „Diese Übereifrigen sind manchmal schlimmer als die Faulpelze. Beide bringen häufig Unschuldige hinter Gitter.“
„ Stimmt“, nickte Lisa. „Ein Übereifriger hätte sofort alles getan, um dem besten Verdächtigen die Hölle heiß zu machen. Richard Weinstein hätte keine ruhige Minute mehr gehabt, und wenn er zehn Alibis gehabt hätte.“
Rosie gab einen missmutigen Ton von sich. „Der Weinstein geht ja auch so durch die Hölle. Von dem ist immer noch ständig die Rede. Gestern beim Friseur haben sich zwei Frauen über die Sache unterhalten, und ständig hieß es, warum verhaften die den Juden nicht?“
„ Werden alle aufgehetzt von der Schweinepresse“, seufzte Christiane. „Der Volksmund hat sich da etwas zurückgenommen, dennoch sind da immer diese kleinen Spitzen drin, von wegen ‚Nichts Neues auf Seiten der
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