Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
berichtete ihr im Gegenzug alles über seine langwierige Scheidung! Schlussendlich hatten sie sich gegenseitig Trost gespendet. Begonnen hatte das sinnliche Abenteuer mit einem herzlichen Kuss auf einer der Parkbänke und geendet hatte es im französischen Himmelbett.
Elvira schwelgt unweigerlich in den amüsanten Erinnerungen der letzten Nacht, ihr geht es offensichtlich gut und sie beglückt ihr Umfeld mit einem frohlockenden Lächeln. Soweit ist alles paletti.
»Aber ich muss zugeben, dass ich nun ein schlechtes Gewissen habe«, krächzt sie mir entgegen.
»Du brauchst doch kein schlechtes Gewissen zu haben. Die Geschichte mit Jo ist doch endgültig vorüber, nicht wahr? Du hast nur einen fliegenden Wechsel vollzogen. Denk an die Männer: Wenn die unsereins verlassen, dann haben sie im Gepäck schon das nächste Häschen parat. Du machst das vollkommen richtig.«
(Dieses Phänomen kann man immer wieder beobachten: Mann macht am Sonntagvormittag mit der Alten Schluss und zu Mittag zieht schon die Neue ein. Somit umgeht er die tränenreiche Ich-bin-jetzt-allein-Phase . Er wechselt im Nu das Revier und steckt seine Energie in die Neue. In solch einer Situation möchte ich zugegeben ein Mann sein: Keine Gefühle investieren, keine Tränen verströmen, keine Sekunde mit unnützen Fragen vertun ... nein, gleich auf die nächstbeste Stute aufspringen und mit ihr davongaloppieren.)
»Nein, nein! So meinte ich das nicht! Ich habe deinetwegen ein schlechtes Gewissen. Ich hoffe, dass du nicht allzu lange auf mich gewartet hast.«
»O nein! Ich bin auch bald abgehauen«, entgegne ich gleichgültig und mir scheint, dass ich dabei ein wenig erröte.
»Aha! Allein?«
»Ja«, erwidere ich (in diesem Fall lüge ich nicht, denn ich bin allein zum Franz-Josef-Kai marschiert) und füge ferner an: »Und nein!«
Ich kann doch Elvira diesbezüglich nicht im Dunklen stehen lassen. Außerdem muss ich mich mit irgendwem beratschlagen. Normalerweise würde sich dafür der Mittwochabend anbieten – gleich nach Sex and the City – aber sooo lange will ich nicht zuwarten.
»Aha! Und was bedeutet ja und nein?«
»Gerhard«, antworte ich kleinlaut.
»Nein!«
Aha, Elvira hat ihre Heiserkeit nur markiert, denn dieses NEIN ist laut und deutlich aus ihrem Mund geflitzt gekommen.
»Wie kannst du nur! Einmal lässt man dich unbeaufsichtigt und schon machst du Dummheiten.« Eine kurze Pause tritt ein. »Und, wie war’s?«, fragt sie interessiert. Nun folgt ein kurzes Resümee meinerseits. Zu guter Letzt verkündige ich noch betont lässig, dass ich bis zu meinem rapiden Abgang alles im Griff hatte. »Ich will’s für dich hoffen.«
»Hey, alles kein Thema! Null Problemo! Echt! Los, machen wir uns an die Arbeit!«, bedeute ich ihr cool und gehe auch schon zielstrebig voran.
Ich habe Gerhard zwischen unserem ersten Flirt am Punschstand vor einer Woche und der gestrigen Weihnachtsfeier nicht ein einziges Mal gesehen, obwohl er letzte Woche definitiv in der Arbeit war. Die Aussicht, dass ich ihm ausgerechnet heute in die Arme laufe, ist also verschwindend klein, um nicht sogar zu behaupten: zu neunundneunzigkomma-neun Prozent unmöglich! Positiv denken! Positiv denken!
Der Tag danach verläuft bislang ganz nach Plan. Keine Weihnachtsstimmung, kein Tratsch (bezüglich letzter Nacht), kein Gerhard! Juhu! Mein Puls geht ganz normal und ich fühle mich topfit.
Ich weiß nicht, warum ich frühmorgens Bedenken wegen meiner Courage gehabt habe.
Oh, nein! Ich habe gerade Hilde auf der anderen Straßenseite gesichtet. Demnach ist die Wilde Hilde - Jagdsaison wieder eröffnet.
Hilde ist eine schier unberechenbare Frau Mitte fünfzig, deren Psyche mit Medikamenten stabilisiert wird. Wenn, ich betone WENN sie die auf sie abgestimmten Arzneien schluckt, gibt sie sich relativ normal. ABER ... wenn sie diese nicht regelmäßig einnimmt, dann erwartet uns (alle Geschäfte im Umkreis zu ihrer Wohnung – wo bedauerlicherweise auch unser Hotel hineinfällt) zumeist ein blaues Wunder.
Zum Glück grast sie derzeit das gegenüberliegende Trottoir ab. Ich muss näher ans Fenster treten, um die Situation besser abschätzen zu können. Ich stelle schnell fest, dass sie ihre bisherigen Gepflogenheiten beibehalten hat. Sie saust dabei von einem Geschäft (davon betroffen sind: Tabakladen, Bank, Optiker, Parfümerie, Florist, Coiffeur) zum Nächsten, brüllt unermüdlich irgendwelche Floskeln herum und beschimpft daneben jeden, der ihren Weg kreuzt. Wenn man
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