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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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drei Generationen ausmerzen. Ich kenne
eine Menge solcher Frauen, und das liegt nicht nur daran, dass ich ein Geschöpf
der Nachkriegszeit bin und umso vieles älter als Sie. Frau Fischbach war auch
eine davon, glauben Sie mir. Hätte sie das Leben um seiner selbst willen geliebt,
dann hätte sie ihre Heilserwartungen nicht in drei Wochen Sommerurlaub und
Männerjagd gesetzt, nicht wahr? Sie hat, so scheint mir, geglaubt, dass sie erst
durch die Augen eines Mannes anfangen würde zu existieren. Und das ist
der Unterschied zu Ihnen: Sie sind sich Ihrer selbst genug. Sie werden immer
ein vollständiger, erfüllter Mensch sein, der sich dem Leben zuwendet, egal, ob
Sie einen Mann an ihrer Seite haben oder nicht.«
    Seda
starrte Schmalfuß an.
    »Ja,
ich glaube Sie haben Recht. Aber auch viele Männer fangen erst an zu
existieren, wenn sie sich in den Augen anderer spiegeln, Blicke voller
Bewunderung oder Neid auf den Erfolg, Status, Geld, Karriere.«
    Seda
hob einen Stein auf und warf ihn über die Klippen. Dann fuhr sie fort: »Ach, ich
weiß gar nicht, warum mich meine Gedanken auf so verwucherte Pfade geführt
haben. Es hat alles mit dieser Frau begonnen, mit der Kadir spazieren ging, und
die Beiden wirkten so … innig … so vertraut … und diese Frau kanzelte mich in
einer Tour ab, machte mich klein, hat mich von oben bis unten gemustert als
taxiere sie mich mit niederschmetterndem Ergebnis auf einem Sklavenmarkt. Und dann
hat sie auch noch meinen Job verächtlich kommentiert. Da fiel mir ein, dass
auch Kadir mich einmal gefragt hat, warum ich tue was ich tue, bei meiner
Ausbildung und meinen Fähigkeiten. Und sehen Sie, Herr Schmalfuß, ich fand
diese Frage nie wichtig. Solange nicht, bis sie mir gestellt wurde. Ich habe in
einem Dutzend Ländern gewohnt, hatte als Kind nie Freunde oder einen Ort, dem
ich mich zuwenden konnte. Meine anne ist früh gestorben und bald hat
mein Papa wieder geheiratet, eine wunderbare Frau, wirklich, eine Deutsche, die
mir überall auf der Welt Spätzle gekocht hat und die noch heute meine Stiefmama
ist. Aber als ich dann auf eigenen Füßen stand, wollte ich ein anderes Leben,
wollte etwas Normales, geradezu Stinknormales machen und sein: An einem einzigen
Ort wohnen, einen netten Job haben, Freunde finden, zur Ruhe kommen. Muss ich
mich dafür rechtfertigen?«
    Von
Bernadette Fischbachs Job über die Trostlosigkeit versagten Liebesglücks zurück
zu Kadir und einer fremden Frau, die Seda wegen des Jobs, den sie mit der
unglücklichen Toten gemeinsam hatte, niedermachte, und weiter zu einer Mutter,
die viel zu früh verstorben war und die Seda die Gefühle von Ruhe und
Geborgenheit hätte vermitteln sollen, die sie jetzt aus eigener Kraft zu
schaffen suchte. Interessante Achterbahnfahrt, dachte Schmalfuß, aber durchaus
nachvollziehbar, wenn man das Mädchen kannte. Kein Wunder, dass sie so
durcheinander geriet, wenn man Teile ihres jetzigen Lebens in Frage stellte.
    »Nein,
natürlich müssen Sie sich nicht rechtfertigen. Und ich denke, dass Herr Bülbül
seine Frage damals ganz harmlos meinte. Er selbst hätte doch auch eine blendende
Karriere in Deutschland verfolgen können und macht stattdessen hier mehr oder
weniger fünf Jobs gleichzeitig. Und höher hinaus wird er in Dereköy nie
kommen.«
    »Ach,
haben Sie den Flurfunk nicht abgehört? Man will Refik Dalga suspendieren, es
ist noch nicht offiziell durch, aber dann kommt Kadir an die Macht.«
    »Da
kann das Fräulein Doktor dann mächtig stolz sein auf ihren Schatz, ihren Goldjungen«,
fügte sie leise hinzu, denn sie wollte nicht, dass Schmalfuß merkte, wie
gehässig sie sein konnte. Womöglich hätte er sie in den Nietzsche-Frauentopf
zurückgeschmissen!
    »Herr
Bülbül? Als Polizeichef? Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
    »Ich
schwör‘s! Taylan Dogulu hat die Mail vom Polizeipräsidenten gesehen, weil Dalga
nicht weiß, dass er Zugriff auf seine Mailbox hat. Na, und Taylan hat es Murat
erzählt und Murat wieder Miran und Miran Rüya und…«
    Schmalfuß
wischte über seine staubige Sandalenschnalle und fuhr erschrocken auf, als Seda
aufschrie. Erst dachte er, sie sei zu den Klippen geschlendert und hätte einen
unvorsichtigen Schritt getan, doch dann sah er sie zu seiner Erleichterung hoch
aufgerichtet vor dem blauen Horizont, beide Handflächen an die Schläfen
gepresst.
    » Aman
tanrim , oh mein Gott, was bin ich für ein Idiot! Herr Schmalfuß, wo sind
Sie?«
    »Na,
hier.«, antwortete Schmalfuß verblüfft, der

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