Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
»Dagegen konnte er nichts tun.«
»Und die
etwas ältere Studentin? War sie auch zu Überwachungszwecken da?«
»Nö, die
interessiert sich einfach nur für Anthropologie.«
Ich
überlegte einen Moment. »Und Sie standen heute Abend rein zufällig in dieser
Lobby?«
»Nicht
unbedingt.«
»Sie sind Clyde gefolgt, stimmt's?«
»Nein. Er
ist langweilig. Sie sind da wesentlich interessanter.«
Ich wusste
nicht recht, was der Privatdetektiv damit sagen wollte.
»Also sind
Sie mir und meinem Bruder gefolgt?«
»Nein. Aber
ich habe hier auf Sie gewartet. Nachdem ich Sie gestern in Aktion erlebt habe,
würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Weil er mich
genau im richtigen Moment vor Clyde Nunley gerettet
hatte, war ich ihm das Frage-und-Antwort- Spiel wohl schuldig. »Ich höre«,
sagte ich, und das ist mehr, als ich normalerweise in solchen Situationen von
mir gebe.
»Wie haben
Sie das gemacht?« Er beugte sich vor und sah mich gebannt an. Unter anderen
Umständen hätte mir das schmeicheln können. Aber leider wusste ich nur zu gut,
worauf das hinauslief, und das war alles andere als schmeichelhaft.
Auch ich
musterte ihn eindringlich. »Sie wissen ganz genau, dass ich keine Möglichkeit
hatte, mir im Vorfeld Informationen zu verschaffen«, sagte ich. »Das wissen Sie doch, oder?«
»Haben Sie
mit Clyde gemeinsame Sache gemacht? Und sich danach mit
ihm gestritten?«
»Nein, Mr Goldman. Ich mache mit niemandem gemeinsame Sache.« Ich
wandte den Blick ab und seufzte. »Ich bin echt. Wahrscheinlich glauben Sie mir
das nicht, aber irgendwann wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben. Vielen Dank
noch mal.« Ich stand auf und ging vorsichtig zu den Aufzügen. Mein Bein war
immer noch wackelig, und es wäre zu peinlich gewesen, ausgerechnet jetzt zu
stürzen.
Ich drückte
kurz und energisch auf den Knopf nach oben. Die Aufzugtüren öffneten sich
gehorsam, und ich betrat den Lift. Ich drückte den Knopf für unser Stockwerk,
und damit ich Rick nicht noch mal ansehen musste, wandte ich den Rücken zur
Tür.
Ich schämte
mich, dass ich Hilfe gebraucht hatte. Wenn ich wirklich taff wäre, hätte ich Clyde Nunley zu Boden geworfen und nach ihm getreten. Aber
damit hätte ich bestimmt überreagiert. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir im
Aufzugspiegel zulächelte. Ich fürchte, ich bin die Art Frau, die lächelt, wenn
sie daran denkt, nach einem ohnehin schon am Boden liegenden Mann zu treten -
zumindest was diesen Mann anbelangt.
Ich zwang
mich, den Rücken gerade zu halten. Im Großen und Ganzen hatte ich mich wacker
geschlagen. Ich hatte weder geschrien, noch geweint, noch meine Würde verloren. Ich bin kein Schwächling, beruhigte ich mich. Ich bin manchmal
einfach nur kaputt . Und dann sind da noch die körperlichen Folgen, die ich
aufgrund des Blitzes davongetragen habe. Eines dieser Symptome schlug jetzt zu,
ein Kopfschmerz, der so schlimm war, dass ich Mühe hatte, mein Zimmer mit der
Plastikkarte zu öffnen.
Ich machte
mein Arzneitäschchen auf und nahm eine Handvoll Migränetabletten heraus,
anschließend kickte ich meine Schuhe von den Füßen. Ich wusste aus Erfah rung, wie bequem das Bett war, und auch, dass es mir in zehn
Minuten besser gehen würde. Zumindest schwor ich mir das. In Wirklichkeit
dauerte es fast zwanzig Minuten, bis der Schmerz einigermaßen zu ertragen war.
Dann starrte ich an die Decke und dachte an Dr. Nunley und seinen Wutausbruch,
bis ich einschlief.
Tolliver
weckte mich einige Stunden später. »He«, sagte er sanft. »Wie geht es dir? Wie
ich hörte, hattest du ein Problem mit einem Mann in der Lobby. Aber dann ist
irgendein Ritter im Cordanzug aufgekreuzt und hat dich gerettet.«
»Ja.« Ich
brauchte ein wenig, um wieder richtig wach zu werden. Tolliver hatte das Licht
in meinem Bad angemacht, er war auf eine bloße Silhouette reduziert, die auf
meiner Matratze saß. »Nunley hat mir aufgelauert und mir lauter so Sachen wie ›Wie
hast du das nur angestellt, du Satansbraten?‹ an den Kopf geworfen. Na gut, das
mit dem Satan ist frei erfunden. Er hält mich einfach für eine Betrügerin. Und
er war wütend über deinen Anruf. Was dich betrifft, hat er wirklich kein Blatt
vor den Mund genommen.«
»Hat er dir
wehgetan?«
»Nö, er hat
mich am Arm gepackt, mehr nicht. Erinnerst du dich noch an den älteren
Studenten im Seminar, über den wir uns Gedanken gemacht haben? Er war auch in
der Lobby und hat dort auf meine Rückkehr gewartet. Er hat Nunley Einhalt
geboten,
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