Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
ihretwegen mal keine Sorgen. Sobald ich hier mit Ihnen fertig bin, werde ich auch ihr einen Besuch abstatten. Achtundachtzig-null-eins Willoughby, Apartment sechs, West Hollywood. Auch sie war ganz einfach zu finden.«
Er hob seine freie Hand und bewegte die Finger, als tippe er auf einer Tastatur oder spielte Klavier.
»Man lässt sich die Lauferei einfach von seinen Fingern abnehmen. Wozu gibt es schließlich ein Wählerverzeichnis? Ich habe es sogar auf CD-ROM. Ob Sie’s glauben oder nicht, sie ist eingetragene Demokratin. Ein Cop – und noch dazu vom Morddezernat –, der die Demokraten wählt. Die Welt ist voller Überraschungen.«
»Ich hätte sogar noch ein paar mehr für Sie. Zum Beispiel hat sich das FBI der Sache angenommen. Sie –«
»Das FBI ist hinter Bosch her. Nicht hinter mir. Ich habe diese zwei Typen heute im Gericht gesehen. Und diese Dinger da«, er tippte gegen einen der Kabelbinder, die von McCalebs Fußgelenken zu seinem Hals führten, »werden sie direkt auf Detective Boschs Spur führen.«
Er lächelte über die Genialität seines Plans. Und McCaleb wusste, dass an seiner Logik nichts auszusetzen war. Twilley und Friedman würden Bosch hinterherhetzen wie zwei Hunde, die links und rechts neben einem Wagen herrannten.
»Schön stillhalten jetzt.«
Tafero ließ McCalebs Füße los und verschwand aus seinem Blickfeld. McCaleb versuchte angestrengt, seine Beine weiter nach hinten abzuwinkeln. Aber fast sofort spürte er ein heftiges Brennen in seinen Beinmuskeln. Er wusste, ihm fehlte die Kraft, um sie lange so zu halten.
»Bitte …«
Tafero kehrte in sein Blickfeld zurück. Er lächelte zufrieden und hielt eine Plastikeule in den Händen.
»Die hab ich von einem der Boote im Hafen genommen. Ist zwar schon ein bisschen verwittert, aber sie wird es trotzdem tun. Für Winston werde ich mir auch noch eine besorgen.«
Er blickte sich im Raum um, als hielte er nach einem geeigneten Platz für die Eule Ausschau. Er entschied sich für ein Bord über der Einbaukommode. Er stellte die Eule darauf, blickte sich kurz nach McCaleb um und rückte den Plastikvogel dann so zurecht, dass sein Blick direkt auf McCaleb fiel.
»Perfekt«, sagte er.
McCaleb schloss die Augen. Er spürte, wie seine Muskeln vor Anstrengung zitterten. In seinem Kopf erschien ein Bild seiner Tochter. Sie lag in seinen Armen und ihre Augen, die ihn über die Babyflasche hinweg ansahen, sagten ihm, er solle sich keine Sorgen machen und keine Angst haben. Das tröstete ihn. Er konzentrierte sich auf ihr Gesicht und irgendwie bildete er sich ein, sogar ihr Haar riechen zu können. Er spürte, wie ihm Tränen übers Gesicht liefen, und seine Beine begannen nachzugeben. Er hörte das Klicken der Kabelbinder und Tafero packte seine Beine und hielt sie fest.
»Noch nicht.«
Etwas Hartes prallte von McCalebs Kopf und plumpste neben ihm auf die Matratze. Als er den Kopf zur Seite drehte und die Augen öffnete, sah er, es war die Videokassette, die er sich von Lucas, dem Sicherheitsbeamten des Postamts, ausgeliehen hatte. Er sah auf das Postemblem auf dem fliegenden Adler des Aufklebers, den Lucas für ihn auf der Kassette angebracht hatte.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus; aber als Sie vorhin meinen Würgegriff ausgeschlafen haben, habe ich mir die Kassette da auf Ihrem Videorecorder angesehen. Es war aber nichts drauf. Wieso?«
McCaleb spürte einen schwachen Hoffnungsschimmer. Ihm wurde klar, der einzige Grund, warum er noch nicht tot war, war die Kassette. Tafero hatte sie entdeckt und sie warf zu viele Fragen auf. Vielleicht war sie seine Rettung. McCaleb überlegte, wie er sie sich weiter zunutze machen könnte. Die Kassette war absichtlich unbespielt. Sie hätte als Requisit dienen sollen, wenn sie Tafero festnahmen und auszutricksen versuchten. Sie wäre Teil eines Bluffs gewesen. Sie hätten sie ihm unter die Nase gehalten und ihm gesagt, sie hätten auf Video, wie er das Geld überwiesen hatte. Aber sie hatten nicht vorgehabt, sie ihm vorzuspielen. McCaleb dachte, dass er sie sich auch jetzt noch zunutze machen könnte – allerdings umgekehrt.
Tafero drückte seine Fußgelenke so fest nach unten, dass sie fast sein Gesäß berührten. McCaleb stöhnte laut auf. Tafero verringerte den Druck etwas.
»Ich hab dich was gefragt, du Arsch. Los, antworte!«
»Das war so gedacht. Es sollte nichts drauf sein.«
»Erzähl mir hier keinen Scheiß. Auf dem Etikett steht: ›Zweiundzwanzigster Dezember.‹ Und dann
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