Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
würden im Court TV, das er oben im Haus mit der Satellitenschüssel reinbekam, live übertragen.
»Hm, ich könnte vielleicht einen Hubschrauber kriegen, der mich zu Ihnen rüberbringt, aber das müsste ich erst mit dem Lufteinsatz klären.«
»Nein, ich komme wieder rüber.«
»Tatsächlich? Wunderbar. Wollen Sie hierher kommen?«
»Nein, ich dachte an einen ruhigeren und abgeschiedeneren Ort.«
»Warum?«
»Das erzähle ich Ihnen morgen.«
»Wieso plötzlich diese Geheimniskrämerei? Soll das etwa ein Trick sein, damit Sie die Pfannkuchen wieder vom Sheriff spendiert bekommen?«
Sie lachten beide.
»Nein, das ist kein Trick. Aber wäre es vielleicht möglich, dass Sie nach Cabrillo kommen – damit wir uns auf meinem Boot treffen?«
»Kein Problem. Wann?«
Er schlug drei Uhr vor. Das müsste ausreichend Zeit sein, um ein Täterprofil vorzubereiten und sich zu überlegen, wie er ihr das Ganze am besten beibringen könnte. Außerdem bliebe ihm dann noch genug Zeit, um sich auf das vorzubereiten, was er, ihre Einwilligung vorausgesetzt, am Abend tun wollte.
»Irgendwas Neues über die Eule?«, fragte er, sobald sie den Termin für ihr Treffen vereinbart hatten.
»Sehr wenig, nichts davon brauchbar. Die Herstellerangaben befinden sich auf der Innenseite. Die Plastikgehäuse selbst werden in China hergestellt. Von dort gehen sie dann an zwei amerikanische Firmen, eine in Ohio und eine in Tennessee, die den Vertrieb für ganz Amerika haben. Das würde eine Menge Arbeit bedeuten und die Erfolgsaussichten wären sehr gering.«
»Dann gehen Sie der Sache also nicht weiter nach?«
»Das habe ich nicht gesagt. Es ist nur nichts Vorrangiges. Mein Partner wird sich der Sache annehmen. Er ist derjenige, der deswegen rumtelefonieren darf. Wir warten ab, was bei den Anfragen bei den Vertrieben herauskommt, und dann entscheiden wir, wie wir weiter vorgehen.«
McCaleb nickte. Dass man bei Anhaltspunkten und sogar bei Ermittlungen Prioritäten setzen musste, war ein notwendiges Übel. Trotzdem ärgerte es ihn. Er war sicher, dass die Eule eine Schlüsselfunktion hatte und dass es deshalb nicht schaden konnte, alles über sie zu wissen.
»Okay, wäre dann so weit alles klar?«, fragte sie schließlich.
»Wegen morgen? Ja, alles klar.«
»Dann kommen wir also um drei zu Ihnen aufs Boot.«
»Wir?«
»Kurt und ich. Mein Partner. Sie haben ihn noch nicht kennen gelernt.«
»Äh, also, wäre es nicht möglich, dass morgen nur wir zwei uns treffen, Sie und ich? Nichts gegen Ihren Partner, aber ich würde morgen lieber nur mit Ihnen allein sprechen, Jaye.«
Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Terry, was haben Sie denn plötzlich?«
»Ich möchte über diese Angelegenheit nur mit Ihnen sprechen. Sie waren es, die mich zu den Ermittlungen hinzugezogen hat, und deshalb möchte ich nur Ihnen geben, was ich habe. Wenn Sie Ihren Partner später mitbringen wollen, meinetwegen.«
Danach trat wieder eine Pause ein.
»Irgendwie gefällt mir das nicht, Terry.«
»Tut mir Leid, aber so will ich es. Wenn Ihnen das nicht passt, lassen Sie es eben bleiben.«
Sein Ultimatum ließ sie diesmal sogar noch länger verstummen. Er wartete.
»Also gut«, sagte sie schließlich. »Wenn Sie darauf bestehen. Meinetwegen.«
»Danke, Jaye. Dann bis morgen.«
Sie legten auf. Er sah den alten Aktenordner an, den er herausgeholt hatte und immer noch in der Hand hielt. Er legte das Telefon auf den Couchtisch, ließ sich in das Sofa zurücksinken und schlug den Ordner auf.
14
W eil das Opfer keinen Namen hatte, hatten sie ihn zunächst den Fall des vermissten Mädchens genannt. Sie wurde auf vierzehn oder fünfzehn Jahre geschätzt, eine Latina – wahrscheinlich Mexikanerin –, deren Leiche inmitten der Abfälle in den Büschen unter einem der Aussichtspunkte des Mulholland Drive gefunden worden war. Der Fall wurde Bosch und seinem damaligen Partner Frankie Sheehan zugeteilt. Das war, bevor Bosch zum Morddezernat der Hollywood Division versetzt wurde. Er und Sheehan bildeten ein Team, das Mord- und Raubfälle bearbeitete, und es war Bosch, der sich mit McCaleb, der damals noch beim FBI war, in Verbindung gesetzt hatte. McCaleb war gerade aus Quantico nach Los Angeles gekommen, um dort eine Außenstelle der Abteilung Verhaltensforschung und das VICAP-Programm zur Festnahme von Gewaltverbrechern einzurichten. Der Fall des vermissten Mädchens war einer der ersten, die er bekam.
Bosch kam mit der Akte und den Fotos vom Tatort in McCalebs
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