Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
nachgegeben hättest, hätte er dich in der Gewalt gehabt.“
„Ich habe schon zuvor Verlockungen widerstanden.“
„Nicht so einer.“ Ich drehte mich um und sah ihm direkt ins Gesicht. „Das ist ein gefallener Engel, Mann. Tausende und Abertausende von Jahren alt. Er weiß genau, wie die Menschen ticken. Er weiß, wie man das ausnutzen kann.“
Seine Stimme wurde etwas schärfer. „Ich komme aus einer Familie, wo jeder ein Inkubus oder Sukkubus ist. Ich denke, ich kenne mich doch ein klein wenig mit Versuchung aus.“
„Dann solltest du eigentlich wissen, wie sie dich verführen würden.“ Ich senkte die Stimme. „Er könnte dir Justine zurückgeben, Thomas. Er könnte bewirken, dass du sie wieder berühren kannst.“
Er starrte mich eine Weile an, und in seinen Augen flackerte ein wildes Sehnen. Dann widmete er sich wieder der Straße, und sein Gesicht erstarrte zu einer neutralen Maske. „Oh“, sagte er leise. Nach einem Augenblick fuhr er fort: „Dann sollten wir besser sehen, dass wir das Ding loswerden.“
„Werden wir“, sagte ich. „Die Kirche bekämpft die Denarier seit zweitausend Jahren. Es gibt gewisse Schritte, die sie unternehmen kann.“
Thomas sah für eine Sekunde argwöhnisch auf den Aschenbecher hinab, dann riss er seinen Blick los und funkelte die zerbeulte Motorhaube seines Jeeps an. „Die hätten nicht sechs Monate früher auftauchen können? Als ich noch einen Buick fuhr?“
Ich schnaubte. „Solange die Prioritäten stimmen …“
„Ich habe gerade erst ihre Bekanntschaft gemacht, aber ich hasse die Typen schon jetzt“, knurrte Thomas. „Aber warum sind die hier, und weshalb gerade jetzt?“
„Aus dem Bauch würde ich sagen, sie sind hier, um Marcone das Fell über die Ohren zu ziehen, um den anderen Unterzeichnern der Abkommen zu beweisen, dass Normalsterbliche unter uns Verrückten – äh, geschätzten, übernatürlichen Wesenheiten – nichts verloren haben.“
„Sind sie Unterzeichner der Abkommen?“
„Das muss ich mir erst genauer ansehen“, antwortete ich. „Aber ich wage zu bezweifeln, dass sie als ‚Orden dämonenbesessener Psychopathen ‘ unterzeichnet haben. Allerdings nach dem, was das Gottesanbeterinnen-Mädchen gesagt hat, ja.“
Thomas schüttelte den Kopf. „Was haben sie davon? Was beweist es, wenn sie Marcone erledigen?“
Ich zuckte die Achseln. Diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt und war zu keiner zufriedenstellenden Antwort gekommen. „Keinen Schimmer“, sagte ich. „Aber die haben genug Schmackes, um das Gebäude einzureißen, und sind gerissen und stark genug, um sich um Marcones Leibgarde herumzuschleichen oder sie zu Kleinholz zu verarbeiten.“
„Aber was zur Hölle bringt die Feenköniginnen dazu, sich in die Angelegenheit einzumischen?“
Erneut zuckte ich die Achseln. Auch das hatte ich mich schon gefragt. Oh, wie ich es hasste, wenn ich keinen Antworten auf meine eigenen Fragen fand!
Wir verbrachten den Rest der Fahrt zu Michaels Haus in grau-weißer Geräuschlosigkeit.
Seine Straße lag an einer der geräumten Strecken, und ohne die geringsten Schwierigkeiten walzte unser Panzer direkt in die Einfahrt. Dort trafen wir Michael und seine zwei ältesten Söhne, die jeweils mit einer Schneeschaufel hantierten, um den Bürgerstieg und die Veranda von dem unablässig herabfallenden Schnee zu befreien.
Michael musterte den Hummer mit verzogenem Mund, als Thomas in die Einfahrt einbog. Er sagte etwas zu seinen Söhnen, die einander einen Blick zuwarfen und ins Innere des Hauses huschten. Michael stapfte die Auffahrt zu meiner Seite des Hummers herunter, sah zu Thomas hinüber, dann auf den Beifahrersitz auf der Rückbank.
Ich kurbelte das Fenster hinunter. „Hey“, grüßte ich.
„Harry“, sagte er ruhig. „Was tust du denn hier?“
„Ich komme von einer Unterhaltung mit dem Gottesanbeterinnen-Mädchen“, entgegnete ich. Ich hielt einen Block hoch, auf den ich das Engelssymbol gekritzelt hatte, während es noch frisch in meinen Erinnerungen war.
Michael sog tief den Atem ein, und sein Blick verfinsterte sich. Dann nickte er. „Ich hatte schon das Gefühl, sie könnten in der Stadt sein.“
„Oh?“, fragte ich.
Die Vordertüre des Hauses öffnete sich, und ein großer, dunkelhäutiger Mann erschien, der Jeans und eine dunkle Lederjacke trug. Er hatte eine Sporttasche, in die er lässig eine Hand geschoben hatte, über eine breite Schulter geschlungen. Er trat in Kälte und Schnee hinaus, als sei
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