Harrys Höllen-Cocktail
an dieses tolle Haus gewöhnt.«
»Wir gehen in die Schweiz. Alte Kontakte können wir auch in Locarno aufrechthalten.«
»Wie du willst.«
Die beiden warteten. Harry würde sie nicht reinlegen, das war ihnen klar. So etwas konnte er sich nicht erlauben, das hatte mal ein Auftraggeber gewagt, aber der lebte nicht mehr lange. Sie hatten ihn vor seiner eigenen Haustür aufgehängt und ihm nach Mafia-Art die Zunge abgeschnitten, so wie es einem Verräter zustand.
»Es wird langweilig«, sagte der jüngere Niccolo.
»Mir nicht.«
»Ich brauche Action.«
»Die hatten wir.«
»Was ist das schon?«
»Halt dich zurück.«
»Haben wir noch einen Schluck Grappa?« Niccolo drehte sich herum, weil er aufstehen wollte.
»Nein.«
»Dann hole ich gleich eine neue.«
»Wir verschwinden heute noch.«
»Immer mußt du mir reinreden, verdammt. Ich bin selbst alt genug, um entscheiden zu können.«
»Das ja«, gab Enrico zu. »Aber ich habe unserer Mutter versprechen müssen, auf dich achtzugeben.«
»Schon gut.« Niccolo blieb liegen und gähnte, während sein Bruder plötzlich eine gespannte Haltung einnahm.
»Was ist denn?«
»Nimm mal die Füße vom Tisch.«
»Weshalb?«
»Frag nicht so dumm, tu es.«
Wenn Enrico in diesem Ton mit seinem Bruder redete, wußte dieser, daß etwas in der Luft lag. Niccolo setzte sich normal hin und wartete auf eine Erklärung.
Die folgte denn auch. »Es ist jemand im Haus, ich habe seine Schritte gehört.«
»Harry?«
»Glaube ich nicht. Der würde nicht schleichen.«
Niccolo zog seine Waffe. Es war eine Beretta-Pistole. Er drehte sich so, daß er die Mündung gegen die Tür richten konnte. Dort mußte der Fremde erscheinen.
Jetzt hörte auch Niccolo die Schritte. Er schüttelte den Kopf. »Da ist tatsächlich jemand.« Er lachte leise. »Lassen wir ihn kommen?«
»Klar.« Nach dieser Antwort stand Enrico auf und bewegte sich auf die Tür zu. In ihrem toten Winkel blieb er stehen. Wenn jemand den Raum betrat, war er in die Zange genommen. Auch Enrico zog seine Waffe. Es war ein Revolver. Auf seine Mündung schraubte er gelassen einen bullig wirkenden Schalldämpfer.
Das Licht fiel durch zwei Fenster. Sie waren zwar relativ hoch, doch die blinden Scheiben filterten auch einen Teil der Helligkeit, deshalb wirkte der Raum so düster.
Die Schritte näherten sich der Tür. Niccolo hatte sich gedreht. Er saß noch immer, streckte jetzt seinen Waffenarm aus und zielte über Kimme und Korn.
Mit einem Ruck flog die Tür nach innen.
»Komm rein!« sagte Niccolo, als er auf die Person zielte. »Los, wir wollen uns mit dir unterhalten.« Der andere kam.
Er geriet in das Kreuzfeuer der beiden Brüder, die ihre Zeigefinger noch zurückhielten. »Setzen!« sagte Enrico.
Der Mann ging auf einen Sessel zu und ließ sich hineinfallen. Er war ein Fremder für sie. Er trug einen hellen Anzug und einen Pullover darunter. Sein dunkelblondes Haar war gescheitelt, außerdem trug er eine Brille.
»Werbist du?« fragte Enrico.
»Ich kam, um euch etwas zu sagen.«
»Und was?«
»Wir werden euch töten.«
Die beiden Brüder waren so überrascht, daß sie keine Antwort geben konnten. So etwas hatte noch niemand gewagt, zu ihnen zu sagen. Das war mehr als eine Unverschämtheit. Da hatte einer sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
Niccolo wollte sich ausschütten vor Lachen, doch sein Bruder hatte mehr aus dem Satz herausgehört.
»Du sprachst in der Mehrzahl.«
»Ja.«
»Dann bist du nicht allein.«
»Stimmt.«
»Und wo sind die anderen?«
Der Mann mit der Brille grinste scharf. »Sie befinden sich bereits hier im Haus.«
Niccolo wollte wieder lachen, aber sein Bruder erstickte diesen Vorsatz durch eine scharfe Handbewegung schon im Ansatz. So lächerlich fand er das plötzlich nicht. Sein sechster Sinn warnte ihn. Was dieser Typ hier getan hatte, grenzte schon an einen leichten Wahnsinn, normalerweise. Aber er saß hier und zeigte nicht die Spur einer Angst. Sollte er recht haben?
»Wie viele seid ihr?«
»Sechs.«
»Und ihr befindet euch alle hier im Haus?«
»Sicher.«
Enrico nickte seinem Bruder zu. »Steh auf und schau nach. Such die beiden Etagen durch.«
»Klar, das mache ich doch glatt.« Niccolo drückte sich hoch. Er wußte den Eindringling bei seinem Bruder in guten Händen, so konnte er sich auf die übrigen Typen konzentrieren, falls der andere nicht geblufft hatte. Er verließ den Raum.
Im Flur stank es, zudem war es dunkel. Die Tür zur Toilette stand offen. Es
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