Hassbluete
nicht«, unterbrach ich sie.
»Ist er etwa aus dem Koma aufgewacht?«, war ihr zweiter Gedanke.
»Nein, aber ich glaube, er hat ein Handy von Robin im Keller versteckt.«
»Was für ein Handy von Robin – sein Handy?«, fragte sie.
Ich wurde ungeduldig. »Kannst du bitte kommen?« Meine Stimme muss sich total verzweifelt angehört haben, denn sie sagte: »Was ist denn los mit dir, Michelle?«
Ich konnte ihr meinen Zustand nicht in wenigen Worten erklären. Konnte nicht sagen, dass ich Angst davor hatte, allein in den Keller zu gehen.
»Ich muss einfach jemanden dabeihaben«, sagte ich.
»Das hört sich aber wichtig an.«
»Es ist wichtig!«, schrie ich fast. »Robin ist tot und Mike ist …«.
Fast tot, hätte ich beinah gesagt.
»Okay, ist gut«, sagte Janni schnell. »Ich bin in fünf Minuten da.«
Ich wartete im Innenhof auf sie, um nicht weiter im Hausflur herumzustehen, wo jederzeit jemand vorbeikommen konnte. Als sie aus ihrer Haustür trat, rannte ich ihr entgegen und gab dem plötzlichen Impuls nach, sie zu umarmen. Janni legte verwundert die Arme um mich und fragte wieder: »Was ist denn bloß los mit dir?« Ich antwortete nicht, aber ich merkte, dass sie sich freute, dass ich sie angerufen hatte, sie umarmte und sie um Hilfe bat. Dann hakte sie sich bei mir unter und führte mich über den Hof zurück. Sie fragte nicht weiter, was es mit Robins Handy im Keller auf sich hatte, sie kam einfach mit.
Im Kellergeschoss angekommen machte ich sofort den ersten Lichtschalter an und dann den nächsten und noch einen, als wir um die Ecke in den Gang bogen, von dem die Tür zum Kellerversteck abging. Ich wollte hier keine dunklen Ecken sehen.
Obwohl wir jetzt zu zweit waren, legte ich zuerst mein Ohr an die Tür und lauschte, ob wer drin war. Ich hatte die Tür selbstverständlich hinter Wolfgang und mir von außen abgeschlossen. Drinnen schien alles ruhig zu sein. Da hörte ich, dass jemand den Aufzug holte.
Janni kümmerte das nicht weiter. Den Schlüssel steckte ich vorsichtig und leise ins Schloss, drückte die Klinke herunter, tastete mich mit meiner Hand um die Ecke und fand den Knipsschalter. Ich wollte nicht die Tür öffnen und vor einem großen schwarzen Loch stehen, in dem jeder Janni und mich gegen das Flurlicht erkennen konnte, wir selbst aber rein gar nichts sehen würden.
Die Neonröhre an der Decke flackerte, bevor sie ganz ansprang und den Raum erleuchtete. Mir blieb vor Schreck die Luft weg: Hier war alles zerwühlt, kaputt geschlagen, ein riesiges Durcheinander. Janni zuckte ebenfalls zurück. »Mein Gott, was ist denn hier los? Wer hat das gemacht?«
»Keine Ahnung«, sagte ich.
Hier hatte jemand nicht nur gesucht, hier hatte jemand gewütet. Das Sofa war an mehreren Stellen aufgeschlitzt. Die Dunstabzugshaube hatte jemand auseinandergenommen, den verdreckten Filter in eine Ecke geworfen. Auch die restlichen Trommeln des Schlagzeugs waren zerstört, aufgerissen, eingeschlagen.
Ich wollte die Tür hinter Janni und mir schließen, als ich wieder den Aufzug kommen hörte. Ich betete, dass er im Erdgeschoss anhalten würde, doch er kam bis zu uns nach unten in den Keller. Ich drückte leise die Tür zu und presste mein Ohr dagegen. Janni blieb dicht hinter mir und ich roch den scharfen Pfefferminzgeruch ihres Airwaves -Kaugummis, ohne den Janni niemals das Haus verließ. Das Licht machte ich nicht aus, ich wollte nicht, dass wir im Dunkeln stehen würden.
Schritte kamen unseren Gang entlang und hielten vor unserer Tür.
Dann – ein Schlüssel im Schloss. Aber die Tür war ja offen.
Hatte derjenige den Lichtschein unter der Tür bemerkt?
Obwohl Janni dicht hinter mir stand und meine Hand hielt, machte ich mir vor Angst fast in die Hose. Panisch sah ich mich nach einem Gegenstand um, den ich noch schnell unter die Türklinke klemmen konnte.
Zu spät. Langsam wurde die Klinke heruntergedrückt und die Tür aufgeschoben. Im letzten Moment sprangen Janni und ich zur Seite, die Tür ging auf und wir standen dahinter, sodass man uns nicht sehen konnte.
»Michelle?«, fragte jemand.
Es war Wolfgang. Er hatte wohl bemerkt, dass die Tür nicht verschlossen gewesen war. Ich war total erleichtert, drückte die Tür von mir weg und fiel ihm beinahe um den Hals. »Oh mein Gott, du bist es bloß!«, sagte ich und holte tief Luft.
»Was tust du hier um diese Zeit?«, fragte er besorgt. Erst dann bemerkte er Janni. »Oh, hallo Janni.«
»Jemand hat den Keller verwüstet!« Auf seine Frage
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