Haus des Blutes
schluckte schwer. »Wie sieht das aus? Weißt du das?«
Einen Augenblick lang kehrte die Leere in seinen Blick zurück. Etwas an der Frage beunruhigte ihn offensichtlich. Aber dann verschwand der leere Ausdruck genauso schnell, wie er gekommen war. »Ich habe eine gewisse Vorstellung davon, Dream. So viel weiß ich: Wenn du dort hinkommst, vorausgesetzt, du kommst an den richtigen Ort, wirst du deinen Frieden finden. Du empfindest kein Leid mehr und fühlst dich völlig erhaben, für immer befreit von den Sorgen, die dich einst quälten.« Ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Es ist ganz gewiss etwas, worauf du dich freuen kannst.«
Sie runzelte die Stirn. »Aber was ist mit der Hölle? Kommen böse Menschen denn nicht woandershin?«
Er blickte sie erneut sehr ernst an. »Das kommt ganz darauf an. Menschen beispielsweise können an unzähligen Orten landen, wenn ihre körperliche Hülle stirbt. Einige sind sehr angenehm. Andere hingegen ähneln dem, was du dir unter der Hölle vorstellst.«
Dream presste ihre Lippen aufeinander. »Aber … was ist dann mit … Wesen wie dir? Habt ihr mehr Kontrolle darüber, wo ihr endet, als wir gewöhnlichen Sterblichen? Seid ihr überhaupt sterblich?«
Erneut huschte derselbe leicht verängstigte Ausdruck über sein Gesicht. Irgendetwas trieb ihn definitiv um. »Ja, die besitzen wir, Dream. Und ich bin ebenfalls sterblich. Meine Götter haben mich jahrhundertelang beschützt und ich habe ihnen treu gedient. Sie sind die Geister des Todes, die mächtigsten aller Götter. Wenn ich sterbe, ist mir mein Aufstieg ins Paradies gewiss.«
Das Paradies, dachte Dream.
Was für ein schönes Wort.
Zugleich furchtbar kitschig und doch ein wundervolles Versprechen auf einen besseren Ort.
Sie legte eine Hand an Kings Hals und strich mit ihrem Daumen über sein Kinn. »Ich kann niemals deine Königin sein, Ed. Mord ist für mich ebenso wenig hinnehmbar wie Sadismus. Du sagst, du wirst mich nicht töten, aber das musst du, falls wir hierbleiben.«
King legte seine Stirn in Falten. »Wir?«
Während der Gedanke in Dreams Kopf Gestalt annahm, verstörte er sie in mehrerlei Hinsicht, erschien ihr in seiner unbestreitbaren Endgültigkeit aber dennoch passend. »Ja, Ed. Wir. Ich werde dir weder dabei helfen, Menschen wehzutun, noch werde ich einfach zusehen, wie du es tust.« Sie holte tief Luft und nahm ihren gesamten Mut für den nächsten Vorstoß zusammen. »Aber ich wäre liebend gerne für immer an diesem anderen Ort an deiner Seite.«
Auf seinem Gesicht spulte sich innerhalb weniger Sekunden eine Vielzahl unterschiedlichster Emotionen ab: Überraschung, Wut, Verblüffung, möglicherweise sogar Angst. »Dream …«
Sie unterbrach ihn: »Das ist die einzige Möglichkeit für uns, zusammen zu sein, Ed. Du hast angedeutet, dass du in mich verliebt bist.« Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte, nicht nach allem, was sie über ihn wusste. Aber sie musste es einfach wagen. »Wenn du mir die Wahrheit gesagt hast, dann stehen wir es gemeinsam durch.«
Er erwiderte nichts und starrte sie nur an.
Sie drängte ihn: »Du musst das tun, Ed. Wir beide müssen das tun. Und das weißt du auch.«
Er lenkte ein. »Ja.« Aber aus seinen Augen sprachen Zweifel. »Ich …«
»Was hast du, Ed?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts.«
Ihre Hand wanderte erneut an den Gürtel ihres Bademantels. »Liebst du mich, Ed?«
Diesmal sah er ganz genau hin, als sie ihren Bademantel öffnete und ihren sonnengebräunten Körper vor ihm entblößte. Etwas in ihm zerbrach. Mit einem Mal widersetzte er sich nicht mehr. Er nickte nur. Dream erhob sich und schlüpfte aus dem Bademantel.
Sie nahm King bei der Hand und dirigierte ihn ans Geländer.
Sie lehnte sich dagegen.
Wandte ihren Kopf zum Himmel empor und sah einen Adler, der sich über ihnen in die Lüfte schwang.
King folgte ihr ohne jegliches Zögern.
Kapitel 26
Chad erwachte mit hämmernden Kopfschmerzen. Wenig überraschend angesichts der Unmengen billigen Bourbons und anderer alkoholischer Mixturen, die er in sich hineingeschüttet hatte. Außerdem hatte er ein wenig von dem falschen Marihuana des alten Sängers geraucht. Das Zeug verschaffte einen merkwürdigen Kick, der mit nichts in seiner begrenzten Drogenerfahrung zu vergleichen war.
Lazarus behauptete, das Kraut heiße Trance und wachse auf ganz natürliche Weise in den Gebieten, die dem Einfluss des Meisters unterlagen. Bewachte Sklaven kümmerten sich um Anbau und Pflege
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