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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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geheftet und die
    zärtlich lächelnde Blondine von Alberts Lavendelwasserflasche, ganz neu,
    ganz frisch, freundliche Kurtisane im Rokokorock, die der davonfahrenden Postkutsche nachwinkte. Seidentuch und Fragonard Ȭ Bäume im Hintergrund, Stimmung geschickt mit dunstigen Effekten versehen und ferne, ferne ganz hinten das Taschentuch des Geliebten, der aus der Postkutsche herauswinkte, sich entfernend, ohne kleiner zu werden; goldig angehauchtes Blatt Ȭ Grün der Fragonard Ȭ Bäume und die zärtliche kleine Hand, die das Taschentuch hielt, rosiges Händchen, der Liebkosungen kundig. Der Hausierer sah sie merkwürdig an; noch wagte er nicht zu hoffen, daß sie etwas kaufen würde. Und gerade das, das Kostbarste, was sein Koffer enthielt, er wußte, daß sie etwas kaufen würde, wagte aber nicht, es wirklich zu hoffen, wagte nicht zu glauben, daß das große, runde, silberne Geldstück wirklich in seine Tasche wandern würde. Seine Hoffnung war schwächer, sein Glaube geringer an Kraft als sein Wissen; tödliche Müdigkeit verschlissenen Gesichts. Sie nahm die Flasche und fragte leise: »Was kostet es?« Ȭ »Drei Mark«, sagte er, und er wurde blaß vor Schrecken, weil es wirklich geschehen war, wider die Hoffnung, wider den Glauben. Er seufzte, als sie noch etwas nahm, noch einmal die süße Schöne, die sich diesmal in einer Schüssel aus Porzellan die Hände wusch. Rosige kleine Finger, der Liebkosungen kundig, wuschen sich aber hier in einer gewaltigen Fülle saubersten Wassers, Frago Ȭ nard Ȭ Garten durchs offene Fenster zu sehen Ȭ und die »alabasterweiße« Büste der Schönen auf der Seifenpackung. »Was kostet es?« sagte sie und nahm auch das Stück Seife. »Eine Mark«, sagte der Mann, und in seinem Gesicht war fast Wut, Wut über so viel realisierte Hoffnung, von der er vierzehn Tage würde zehren müssen, Vorschuß des Glücks, das er mit gemischten Gefühlen hinnahm, dunkeln ahnend: Das konnte nicht gutgehen.
    »Vier Mark also«, sagte sie, und er nickte ihr erleichtert zu. Sie gab ihm vier Mark, silberne Münzen, und legte drei Zigaretten auf den Deckel des Koffers. Vor Schrecken wagte der Mann nicht, danke zu sagen, er starrte sie an und nahm das kostenlose, mühelose Lächeln aus ihrem Gesicht entgegen. Ihr Lächeln wirkte sofort, dunkle Gier, wildes Verlangen nach so viel Schönheit, wie er sie sonst nur auf Seifenpackungen sah, Filmschönheit, verheerendes Lächeln im Dämmer der Diele. Nella erschrak und schloß leise die Tür.
    »Albert«, rief sie, »Albert, kommst du Ȭ ich muß gleich weg.« »Ja«, rief er aus seinem Zimmer, »ich komme.« Sie ging in ihr Zimmer zurück und ließ die Tür offen. Albert war schon fertig angezogen, als er kam; er hatte die Zeitung in der Tasche, den Autoschlüssel in der Hand und die Pfeife im Mund. »Was ist los?« sagte er und blieb in der offenen Tür stehen. »Komm doch herein«, sagte sie, »oder hast du keine Zeit?« »Nicht viel«, sagte er, aber er kam herein, ließ die Tür offen und setzte sich auf die Kante eines Stuhls. »Du fährst weg?« »Ja.«
    »Für mehrere Tage?«
    »Ich weiß noch nicht, vielleicht komme ich morgen schon zurück. Es ist eine Tagung«, sagte sie. »Von wem über was?«
    »Dichtung und Gesellschaft, Dichtung und Kirche«, sagte sie. »Na schön«,
    sagte er.
    »Etwas«, sagte sie, »irgend etwas muß ich ja schließlich tun. Am liebsten möchte ich richtig arbeiten.« Sie fängt schon wieder an, dachte er, und laut sagte er: »Natürlich mußt du was zu tun haben, aber arbeiten wäre unsinnig. Die meisten Menschen arbeiten aus dem einfachen Grund, weil sie ihre Familie ernähren müssen, eine Wohnung haben müssen und den ganzen Kram. Was zu tun haben, ist was anderes als arbeiten Ȭ und zu tun haben könntest du den ganzen Tag.«
    »Ich weiß«, sagte sie seufzend Ȭ »das Kind« Ȭ , und sie fiel wieder in Pater
    Willibrords Tonfall Ȭ »das Kind und das Werk Ihres Gatten betreuen.«
    »Natürlich«, sagte er, »tu ȇ s, grabe die ganze Kiste unten aus, suche Willibrords Briefe, Schurbigels Briefe und zähle die Segenswünsche für den Führer, die sie enthalten, ȇ ne nette Beschäftigung.«
    »Verdammt«, sagte sie vom Fenster her, »soll ich wirklich mein Leben damit verbringen, siebenunddreißig Gedichte zu betreuen? Mit dem Jungen wirst du viel besser fertig als ich. Und heiraten will ich nicht mehr, ich will nicht die lachende Mutter auf einem Foto in der Illustrierten sein, ich will nicht mehr eines Mannes Frau

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