Head over Heels - Band 1 (German Edition)
Schwester, die mich noch nie im Stich gelassen hat. Nicht, als wir vor knapp acht Jahren nach London gekommen sind, und auch nicht, als mich Taylor vor zwei Monaten mit einer Freundin betrogen hat. Ich stand da mit gepackten Koffern, hatte einen Job und wusste nicht, wohin ich sollte. Zu meinen Eltern nach St. Agnes konnte ich nicht, sie hätten mich sicher aufgenommen, doch meine Mutter engagiert sich im Hausfrauenverein, das sagt, finde ich, eine Menge über ihren Charakter aus. Ganz zu schweigen von meiner Oma, ich liebe sie wirklich, aber sie denkt bestimmt allen Ernstes, dass ich noch Jungfrau bin. Es würde sie umhauen, wenn ich ihr erzähle, dass ich meinen Freund mit einer meiner Freundinnen auf unserem Küchentisch erwischt habe. Mein Vater würde sich eine Zigarre anzünden, sein Gewehr laden und Taylor den Arsch abknallen.
Also ist nur Lisa infrage gekommen. Ich bin zu ihr gefahren und seitdem wohne ich dort. Sie und ihr Mann haben sich vor einigen Jahren ein kleines Haus in Redbridge gekauft. Eine nette Bilderbuchgegend. Ein typischer Vorort von London, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Ich bewohne ein kleines Zimmer in der ersten Etage. Jetzt bin ich seit zwei Monaten dort und mich plagt das schlechte Gewissen. Ich weiß, dass ich ihnen zur Last falle, auch wenn sie es niemals zugeben würden. Doch ich bin eine Schmarotzerin und das nur, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was ich mit Taylor machen soll.
Irgendwie ist da noch etwas, das sich wie Liebe anfühlt. Wahrscheinlich ist es aber reiner Trott, der mich immer noch zu ihm hinzieht. Eine ganz natürliche Reaktion, finde ich – ich will in den sicheren, den gewohnten Hafen zurück. Dort, wo mein Leben einer gewissen Konstante folgt, wo ich mich aufgehoben fühle. Jedoch existieren diese Konstante und die Geborgenheit nur mehr in meinen Träumen.
Denn die Realität sieht folgendermaßen aus: Wir haben eine gemeinsame Wohnung, teilen uns in der Zwischenzeit, also solange ich nicht weiß, was ich möchte, noch die Miete, ehe wir entscheiden, wie wir unser Leben schnellstmöglich splitten.
South Woodford, die Station, an der ich aussteige. Ich schiebe mich durch die Menge und warte, bis der Zug zum Stehen kommt. Die Luft ist hier draußen gleich viel besser. Fast schon Landluft. Ich laufe die wenigen Meter bis in die Wavertree Road, in der ein Haus dem anderen gleicht. Alles sieht hier so friedlich aus und wieder beneide ich Lisa, um ihren netten Mann, der so fleißig arbeitet, um ihre Tochter, Susanna, die ihr Glück perfekt gemacht hat. Dagegen ist mein Leben ein einziger Scherbenhaufen. Ich bin fast vierundzwanzig, Single, obdachlos und einsam.
Ich schließe die Tür auf und höre Lisa bereits in der Küche singen. Ihre Heldin, Fast-Nachbarin Jessie J. mit Who you are, passt wie die Faust aufs Auge, denke ich und stelle meine Tasche in der Garderobe ab. Leise schleiche ich in die Küche, wo ich Lisa einen Moment lang beobachte, während sie ihre Spießerschürze trägt und das Essen kocht. Bestimmt ein Vier-Gänge-Menü. Denn wenn jemand alle Folgen der Desperate Housewives gesehen und gelebt hat, dann Lisa. Bei ihr ist es immer tipptopp aufgeräumt, es gibt immer etwas Gutes zu essen und es wird nie gestritten. Doch ebenso gut kenne ich die andere Lisa, die Frank zusetzt, weil sie ein zweites Kind haben möchte, aber einfach nicht schwanger wird. Es ist doch nicht alles perfekt, denke ich und lasse mich auf einen Stuhl plumpsen.
Sie sieht mich und dreht das Radio sofort leiser. Das typische Lä cheln, welches uns laut Großmutter wie Zwillinge aussehen lässt, umspielt ihre Lippen. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr. Hat dich dein neuer Chef nicht gehen lassen?“, fragt sie mich besorgt.
Ich streiche über die Tischkante und entdecke etwas, von dem sie sicher nicht möchte, dass ich es sehe. Schnell reiße ich meinen Blick los. „Er ist ganz nett. Ich habe nur mehr zu tun gehabt als sonst.“
Sie dreht sich um und rührt im Topf. Meine Neugierde lässt mich ein weiteres Mal auf die Laborbefunde blicken. Sie tragen ihren Namen. Lisa ist ... unfruchtbar. Perplex starre ich sie an, weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich sie darauf ansprechen?
„Dann stimmen also die Zeitungsberichte nicht mit dem wirklichen Menschen überein?“
„Was?“ Oh Gott, Lisa. Wie sehr sie sich ein Kind wünscht und jetzt soll alles vorbei sein! Doch bei Susi hat es doch auch geklappt. „Ach, was soll ich sagen? Er war den ersten Tag bei
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