Heartbreaker - Chartbreaker
machen, und es gab alle möglichen Gerüchte. Niemand hat mir direkt was erzählt, weil Victoria allen unmissverständlich klargemacht hatte, dass Evan in unserer kleinen Welt unerwünscht war, aber ihr wisst ja, wie das mit Gerüchten so ist. Man erfährt
schließlich doch alles. Sie schlüpfen um jede Ecke herum und unter jedem Türspalt hindurch. Irgendjemand erzählte, Evan und seine Freunde hätten die Schule ganz abgebrochen und seien jetzt in Japan, um ihre erste CD aufzunehmen, und die Do-Gooders seien dort schon ganz berühmt. Andere erzählten, der A&R-Typ hätte noch am selben Abend einen Vertrag mit ihnen gemacht und sie dann aber am Montagmorgen hochkant aus seinem Büro rausgeschmissen, als die Wirkung der ganzen Gratis-Cocktails nachgelassen hatte und er wieder klar denken konnte.
Aber die vorherrschende Meinung war, dass die Band nicht mehr zur Schule ging und sie alle Privatunterricht bekamen, damit sie mehr Zeit zum Proben hatten. Das machte mich alles total neugierig, das gebe ich schon zu, aber vor allem war ich erleichtert, dass ich Evan nicht jeden Tag in der Schule begegnen musste. Das ist ja der Traum jedes Mädchens, das mit einem Jungen Schluss gemacht hat: Der Junge verschwindet einfach, löst sich wie magisch in Luft auf, sodass es keine peinlichen Situationen gibt, in denen man miteinander zurechtkommen muss. Bis auf diese eine Nacht und dieses eine Lied war Evan aus meinem Leben verschwunden. (Na ja, um ehrlich zu sein, habe ich die Do-Gooders danach noch ein paarmal gegoogelt, aber ohne Resultat; nur die total veraltete MySpace-Seite, bei der ihnen Victoria damals geholfen hatte, gab es noch.)
Egal, jedenfalls schaffte ich es, die ersten paar Monate des neuen Schuljahrs ohne dramatische Zwischenfälle zu überstehen (mal abgesehen davon, dass mein bescheuerter Computer es fertigbrachte, meinen fast fertigen Aufsatz über den »Tod eines Handlungsreisenden« unwiederbringlich zu löschen, und das am Abend, bevor wir ihn abgeben mussten).
Am Samstag vor Halloween kam Victoria bei mir vorbei, und das aus zwei Gründen: weil ich ihr (1) helfen sollte, ihre Haare leuchtend pink zu färben. Nicht den ganzen Kopf, sondern nur einen Streifen in der Mitte, sodass es möglichst so
aussah, als hätte sie einen Irokesen. Victoria ist ja ziemlich hart im Nehmen und stellt sich bei den meisten Dingen nicht lange an, aber den Kopf wollte sie sich trotzdem nicht bis auf einen Mittelstreifen kahl scheren. Sie findet das bei Frauen einfach nicht sexy. Haarefärben musste in diesem Fall reichen.
Und weil es (2) genau ein Jahr her war, dass ich mich auf der Halloween-Party von Charles Hurty zum ersten Mal mit Evan unterhalten hatte. Ich weiß, wie Evan das in Interviews gerne erzählt. Absolut jeder, den ich kennenlerne, kaut mir das immer wieder vor, am liebsten laut und vor Publikum. Was mich natürlich ungemein freut, das könnt ihr mir glauben. So wie es mich natürlich auch ungemein freut, dass Evan immer wieder in aller Öffentlichkeit über mich und unsere Liebesbeziehung redet. Und dann bekomme ich die Story von irgendwelchen Teenagern nachgeplappert, als wüsste ich nicht selbst, wie das war und wie das Ganze angefangen hat. Aber Evan schildert das nun mal gerne so:
»Wir waren zusammen auf einer Halloween-Party. Sie stand vor mir und unsere Blicke kreuzten sich, und es war … als ob der Blitz eingeschlagen hätte.«
Richtig süß, oder? So bilderbuchmäßig und romantisch und genau das, worauf Millionen von Mädchenherzen heimlich hoffen, sollten sie Evan eines Tages zufällig begegnen. Dann würde es nämlich zwischen ihnen und ihm genauso sein!
Alles, was ich dazu sagen kann, ist: Bringt genug Papiertaschentücher mit!
Unsere Blicke kreuzten sich nämlich, als er sich vornüberbeugte, um das viele Bier auszukotzen, das er an dem Abend in sich hineingeschüttet hatte. Direkt auf die von Victoria ausgeliehenen Stiefel, die perfekt zu meinem Go-go-Girl-Kostüm passten. So ist das gewesen. Victoria nimmt es mir heute noch übel, dass die Stiefel danach ruiniert waren. »Ich hab sie in einem Secondhand-Laden aufgestöbert!«, klagte sie noch sechs Monate danach.
Mein Vater schabte gerade einen Kürbis aus, als ich die
Treppe runterkam, um auf Victoria zu warten. Ich wäre dabei fast über unsere Katze Bendomolena gestolpert und hätte tödliche Verletzungen erlitten. Vermutlich denkt ihr jetzt alle: Aber das ist doch nur eine Katze! Dazu folgende Erläuterung: Bendy ist weniger eine Katze
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