Heimstrasse 52
die nun sagt:
– Ja, ich bin mir sicher.
– Es gibt noch andere Männer, die keine schlechten Angewohnheiten haben. Vielleicht solltest du noch ein wenig warten.
– Nein, sagt Ceyda. Ich möchte Adem heiraten.
– Du brauchst nicht zu gehen. Auch wenn dein Vater dauernd von Geld redet.
– Das ist es nicht.
Gül würde gerne wissen, was es ist, doch ihr Vater hat nie versucht, sie zu beeinflussen, also hält sie einfach den Mund.
Fuat ist im Gegensatz zu seiner Frau begeistert von der Entscheidung seiner Tochter.
– Komm, sagt er, lass uns darauf anstoßen, und schenkt ihr eine Whisky-Cola ein. Wir werden eine Hochzeit ausrichten, wo es an nichts mangelt, wo jeder essen kann, bis er kaum mehr Luft bekommt. Auf jedem Tisch Flaschen, so viel man möchte, ein Festsaal, ein richtiger Saal, Livemusik, das Ganze werden wir auf Video aufzeichnen lassen, damit wir noch Jahre später etwas davon haben. Man wird zum Mann, wenn man beim Militär war, sagen sie, oder man wird zum Mann, |187| wenn man heiratet, aber ein richtiger Mann ist man erst, wenn man die Kinder verheiratet. Jawoll. Hier, nimm noch einen Schluck.
Ein wenig gewieft muss man sein. Morgen schon werde ich mich nach einem Festsaal umsehen. Das ist eine gute Nachricht. Ceren, wähl mal die Nummer deiner Großmutter, damit wir ihr die Botschaft verkünden können.
Vielleicht ist es der Whisky, der macht, dass Ceyda sich heiter und entspannt fühlt. Vielleicht ist es auch etwas anderes.
– Du wirst das Zimmer für dich haben, sagt sie zu Ceren, als die Schwestern ihre Nachthemden anziehen.
– Ja.
Mehr will Ceren nicht antworten, da sie weiß, dass in ihrer Stimme Tränen mitklingen, auch wenn sie nicht weint.
– Freu dich doch.
– Ja.
– Schau, sie wohnen keine hundert Kilometer von hier. Ich werde einen Führerschein machen. Wir werden uns oft sehen. Wir werden ja nicht getrennt.
– Ja.
Cerens Stimme klingt schon besser. Vielleicht weil sie sich zusammenreißt.
Wir werden ja nicht getrennt.
Wenn man nur wüsste, welche Versprechen man einhalten wird und welche nicht.
Gül sitzt in der Küche und denkt an die Tage in der Küche der Einzimmerwohnung. Damals waren ihre Töchter weit weg, und sie wollte nichts sehnlicher, als sie bei sich zu haben. Nun waren sie da, und die Ältere ist fast schon wieder weg. Doch man kann sich am Wochenende ins Auto setzen, und in einer Stunde kann man schon bei Ceyda und Adem klingeln, die in einer Zweizimmerwohnung in einer Neubausiedlung wohnen, einige Straßen von Ceydas Schwiegermutter entfernt. Sie |188| hat eine Stelle bei einem Friseur, sie verdient Geld, ihr geht es sicherlich gut. Sie ist nicht in irgendjemandes Obhut und wird gescheucht wie ein Dienstmädchen, sie muss nur auf sich selber und ihren Mann achtgeben.
Es scheint alles in Ordnung zu sein, es gibt keinen Grund für Gül, in der Küche zu sitzen und dem Schmerz nachzuspüren, um herauszufinden, wie er sich genau anfühlt und wo er wohl herkommen mag. Ob es die Trennung ist, die Ungewissheit, die Leere, fehlendes Vertrauen, das ungute Gefühl, das sie bei Adem hat.
Wie einfach ist es wohl, wie Fuat zu sein, überlegt sie. Obwohl er gegen Ende der Hochzeitsfeier kaum mehr sprechen konnte, hat er sich gut gehalten. Solange die Festgesellschaft noch vollzählig war, ist er von Tisch zu Tisch gegangen, mit vor Stolz geschwellter Brust, aufrichtig besorgt um das Wohl seiner Gäste. Später, als der Saal sich bereits leerte, hat er der Bauchtänzerin auf den Tisch geholfen und ihr nacheinander unbeholfen mehrere Zwanziger und Fünfziger in den Ausschnitt und den Bund ihres Höschens gesteckt. Eine schlanke Frau war es gewesen, nach Fuats Geschmack, und niemand hatte sich gefragt, warum es immer noch Bauchtanz hieß, wenn es keinen Bauch zu sehen gab, sondern fast nur Muskeln. Ob Technologie oder Frauen, die Welt bewegte sich in eine Richtung, die Fuat behagte.
Den Tag nach der Hochzeit ist Fuat im Bett geblieben, hat sich Hühnerbrühe bringen lassen, Kopfschmerztabletten, Wasser und Zigaretten. Dass seine Tochter weg ist, hat er kaum gemerkt. Am Montag ist er zur Arbeit gegangen wie immer.
Wie einfach wäre es, wie Fuat zu sein, wenn der einzige Schmerz, den man spürt, der im Kopf ist und wenn man sogar weiß, woher der kommt.
Fuat ist arbeiten, Ceren, die zu Hause unruhig geworden ist, ist bei Gesine, und Gül sitzt auf dem Sofa und weiß, dass alles |189| besser ist als damals in der kleinen Küche, sie weiß es, aber es
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