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Heimstrasse 52

Heimstrasse 52

Titel: Heimstrasse 52 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Oezdogan
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Yılmaz, sagt Saniye erschrocken, den habe ich ganz vergessen. Als Ufuk gekommen ist, war ich so aus dem Häuschen, ich wusste gar nicht, was wir tun sollten, da sind wir zu dir gekommen. Yılmaz müsste schon zu Hause sein und wird sich wundern, wo ich bin. Ich rufe ihn an und sage, er soll hierherkommen.
    – Gut, Fuat und Ceren müssten auch jeden Augenblick kommen. Da können wir alle zusammen essen. Oder bist du müde, mein Sohn, möchtest du dich vielleicht kurz hinlegen?
    – Nein, nein, antwortet Ufuk, wie könnte ich jetzt schlafen?
     
    – Kaum fassbar, sagt Fuat, als er die Geschichte hört, kaum fassbar. Mein Junge, du wirst es weit bringen in diesem Leben. Mit Ehrgeiz, Gewieftheit und Mut, wie du sie hast, wird man ein richtiger Mann. Um dich muss sich deine Mutter keine Sorgen machen. Was möchtest du denn trinken? Einen Whisky oder lieber einen Rakı?
    Gül bemerkt, wie Saniye neben ihr die Luft anhält, als sie |192| diese Frage hört, und sie sucht Fuats Blick, um ihm zu signalisieren, dass er Ufuk lieber nichts anbieten soll, doch ihr Mann öffnet schon den Kühlschrank, in dem er auch seinen Whisky aufbewahrt.
    – Danke, sagt Ufuk, vielen Dank, aber ich trinke nicht.
    Gül hört, wie Saniye ausatmet, und sieht, wie sich ihr Gesicht entspannt, während Fuat seine Enttäuschung kaum verbergen kann.
    – Du bist groß und Manns genug, aus dem tiefsten Malatya auf eigene Faust hierherzukommen, trinkst aber keinen Schluck? Bist du etwa einer von diesen Religiösen?
    – Nein, nein, Gott bewahre, es schmeckt mir einfach nicht, sagt Ufuk.
    – Ein Bier?
    Jetzt möchte Fuat es genau wissen.
    – Nein, danke, auch kein Bier.
    Yılmaz’ Augen sind gerötet, aber nicht so, als hätte er geweint. Seine Lider hängen etwas, als wäre er müde, er kommt Gül ein wenig fremd vor. Saniye hat ihm nichts verraten, nur gesagt, dass er vorbeikommen solle. Als Yılmaz Ufuk gesehen hat, ist sein Mund auf und zu gegangen, ohne einen Laut von sich zu geben, einige Momente hat er verwirrt gewirkt, sehr verwirrt, dann hat er den Mund geschlossen, ihn noch mal aufgemacht, die einzige Bewegung im Raum, alle anderen haben Yılmaz angesehen und versucht zu verstehen, was da geschieht. Gerade als die Stille unangenehm wurde, hat Yılmaz gesagt:
    – Ich kannte deinen Vater. Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Komm her, mein Sohn, lass dich umarmen.
    Nun stand den anderen der Mund offen.
    – Mustafa, Mustafa, es gibt Hunderte Mustafas, woher sollte ich denn wissen, dass Saniye mit einem verheiratet war, den ich auch kannte. Damals war er noch Junggeselle, wir haben so einige Male zusammen getrunken in einer Kneipe in |193| Malatya. Mustafa wurde aggressiv, wenn er etwas zu viel hatte, aber er war ein guter Kerl. Gott sei seiner Seele gnädig. Ich weiß gar nicht, was er damals gemacht hat, wir waren jung, und einer meiner Onkel wohnte in der Stadt und handelte mit Mehl, zu ihm bin ich damals, weil ich Geld verdienen wollte für das Studium. Was hat der mich Säcke schleppen lassen, und abends habe ich mir mit Mustafa ein paar Gläser genehmigt. Windigen Geschäften ist der nachgelaufen, wenn du mich fragst, windigen Geschäften. Und auf einmal war er weg.
    – Kaum fassbar, sagt Fuat und wendet sich an Saniye: Und du hast in Deutschland ausgerechnet diesen Mann gefunden, der ein Trinkgenosse deines ersten Mannes war. Was für eine Welt, was für ein Leben. Was möchtest du trinken, mein Freund?, fragt er Yılmaz nun.
    – Nur ein Bier.
    – Es gibt etwas zu feiern.
    – Ja, aber ich bleibe heute beim Bier.
    – Diese Welt, sagt Fuat, diese Welt ist nicht zu verstehen. Der eine mag keinen Alkohol, der andere will nur Bier. Komm, Yılmaz, Bier, das ist fast wie Wasser. Einen kleinen Schluck, wenn es Gift wäre, würde es dich nicht umbringen. Es gibt was zu feiern heute, da willst du mich doch nicht allein trinken lassen. Einen winzigen.
    – Aber wirklich nur einen winzigen, sagt Yılmaz.
    Seine Augen sind nicht nur gerötet, sie haben auch einen Glanz, den Gül nicht einordnen kann.
     
    Gül beginnt die Momente zu fürchten, in denen Fuat von der Arbeit kommt, weil es fast jeden Tag Streit gibt. Ein Vorwand ist schnell gefunden, das Essen ist zu mild, die Cola nicht kalt genug, der Drang zu putzen eine Krankheit seiner Frau. Ein Anfang findet sich, und was auch immer dieser Anfang sein mag, fast jeden Tag führt er dazu, dass Fuat sagt:
    – Find mal eine Arbeit. Du kannst hier nicht den ganzen |194| Tag rumsitzen,

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