Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
ohne Polizeischutz überstehst.« Franco wiederholte seine Handbewegung. »Sie wollen dich in Streifen schneiden und den Fischen verfüttern. Hab Mut und trete deinem Urteil mit Würde entgegen!«
»Schimären, Franco! Sie sind falsch, gnadenlos und unberechenbar. Traue nie ihrem Lächeln, es bringt Verderben. Streu meine Asche ins Meer und mach ein großes Fest auf ihre Kosten, mit Champagner bis zum Abwinken. Und gedenke meiner für immer in Freundschaft.«
Rossana winkte, Laura drehte sich halb um, und ihr Gesicht verfinsterte sich. Die Stühle an den beiden anderen Plätzen, an denen gegessen worden war und wo noch die gebrauchten Servietten und Gläser standen, waren leer. Franco gab ihm einen Klaps auf die Schulter, und Laurenti trat seinem Schicksal entgegen.
»Entschuldigt bitte!« Er faßte seine Frau an den Schultern, sie hielt ihm kühl die Wange zum Kuß entgegen und würdigte ihn keines Blickes. Rossana begrüßte ihn herzlich.
»Ich bin ganz einfach eingeschlafen, etwas anderes habe ich zu meiner Entschuldigung leider nicht vorzubringen. Wo sind die Kinder?«
»Sie hatten die Nase voll!« sagte Laura mürrisch und schaute übers Meer. »Sie wollten nicht länger auf einen Vater warten, der den Familienrat einberuft, sich Verstärkung dazu bestellt, und dann zu feige ist, selbst zu erscheinen. Und es nicht mal für nötig hält, sich zu melden. Außerdem ist Livia bitter enttäuscht darüber, daß du sie so schlecht behandelst.«
»Entschuldige, Laura«, wiederholte Proteo, »aber wirf mir nicht vor, daß ich feige bin! Das stimmt nicht, und darüber hast du dich noch nie beklagt. Und Livia hat nun überhaupt keinen Grund, sauer zu sein. Die Kinder hätten ruhig warten können, sie sind ohnehin dauernd unterwegs. Wenn sie nicht wissen, wie ihr Vater aussieht, dann liegt das gewiß nicht an mir, sondern weil sie nie zu Hause sind. Also, bitte!«
Zur vorübergehenden Rettung kam der Wirt an den Tisch. »Straft ihn, aber laßt ihn leben«, sagte er. »Ich habe für ihn einen Branzino zur Seite gelegt, den muß er essen und bezahlen, bevor du ihn umbringst. Möchtest du eine Vorspeise, Proteo?« Er betete die Liste der Vorspeisen und der ersten Gänge herunter. Proteo bestellte.
»Proteo, um es gleich vorwegzunehmen«, mischte sich Rossana ein, »und um dir den Rest zu geben: Die Anwesenden heute Abend haben sich einstimmig für Livias Bewerbung für die Miss-Wahl ausgesprochen. Es ging völlig demokratisch zu. Nicht einmal dein Sohn hat dagegen gestimmt.« Sie grinste.
»Seit wann hat Erziehung etwas mit Demokratie zu tun? Es sind Herrschaftsverhältnisse. Nichts sonst, Rossana!« Proteo goß sich ein weiteres Glas Wein ein.
»Livia ist volljährig«, sagte Laura und schaute ihm zum ersten Mal am Abend in die Augen. »Da ist nichts mehr mit Erziehung. Sie ist bereits das Resultat dessen, was du gemacht hast.«
»Ich?« Proteo hatte erstaunt die Stimme gehoben. »Jetzt ist es aber gut! Sie hat, wenn ich mich richtig erinnere, auch eine Mutter, die ihr den Weg gewiesen hat. In diesem Weiberhaushalt haben die Männer ohnehin nichts zu sagen.«
»Du redest Unsinn! Aber ich bin stolz darauf, eine schöne und intelligente Tochter zustande gebracht zu haben. Von dir hat sie das bestimmt nicht mitbekommen.« Das war ein Tiefschlag, und Proteo fuhr plötzlich durch den Kopf, was Marietta am Morgen gesagt hatte: Livia sei so schön, daß man daran zweifeln könne, ob er wirklich ihr Vater sei.
»Also sag schon, wer es war! Laura! Mit wem hast du mich betrogen? Wessen Brut habe ich großgezogen? Wer war das Schwein?«
»Jetzt ist er völlig ausgerastet!« sagte Laura zu Rossana, die ihnen offen ins Gesicht lachte. »Hau ab, Laurenti, und laß uns Frauen endlich in Frieden!« Laura machte eine wegwerfende Handbewegung. »Geh schwimmen und red mit den Fischen.«
»Warum gründest du nicht eine ›Partei der Mütter unterdrückter Töchter‹, Laura? Ich bin mir sicher, du hättest großen Erfolg!«
»Ich würde eher einen ›Männerschutzbund‹ gründen, Idiot! Einen für zarte Seelen und andere Sensibelchen«, sagte Laura. »Ihr Männer seid bescheuert. Zuerst erfindet ihr solche Wettbewerbe, dann beklagt ihr euch, daß eure Töchter daran teilnehmen!«
»Ich habe diesen Mist weiß Gott nicht erfunden«, protestierte Proteo.
»Livia wird sich zu schützen wissen«, sagte Rossana. »Und außerdem hat sie euch! Sei nicht katholischer als der Pole in Rom. Du hast keinen Grund, unzufrieden zu
Weitere Kostenlose Bücher