Heiße Hüpfer
klemmt.«
»Ja?«
»Klingt ein wenig seltsam, aber es ist schon mal passiert, ob du’s
glaubst oder nicht.«
Ein kleiner grüner Trieb wuchs aus den halb abgestorbenen Zweigen
der Hoffnung.
»Und worin besteht diese Tradition?« fragte Rincewind.
»Es wäre herzlos, einem Mann mehr als dreimal zuzumuten, auf der
Falltür zu stehen. Schließlich weiß er, daß jeden Augenblick…«
»Ja, ja…«
»… und dann muß er damit rechnen, daß…«
»Ja…«
»… und der schlimmste Teil ist meiner Ansicht nach…«
»Ja, ich verstehe! Und nach dem dritten Mal…?«
»Nach dem dritten Mal wird er in die Zelle zurückgebracht, und der
Tischler repariert die Fal tür«, sagte der Wärter. »Er bekommt sogar ein
Mittagessen, wenn die Reparatur lange dauert.«
»Und dann?«
»Nun, nach einem erfolgreichen Test der Fal tür führen wir den
Gefangenen erneut zum Galgen und hängen ihn.« Der Wärter bemerkte
Rincewinds Miene. »Mach nicht so ein Gesicht. Das ist besser, als den
ganzen Morgen in der Kälte zu stehen. Das wäre bestimmt sehr
unangenehm.«
Als der Wärter gegangen war, setzte sich Rincewind und starrte an die
Wand.
»Määh!«
»Sei still.«
Darauf lief es also hinaus. Noch eine letzte kurze Nacht, und dann
würden – wenn es nach diesen Clowns ging – ganz gewöhnliche Leute
durch die Straßen wandern, um zu sehen, wo sein Kopf herunterkam. Es
gab einfach keine Gerechtigkeit!
HALLO, KUMPEL.
»Oh, nein. Bitte .«
ICH WOLLTE MICH NUR DER HIESIGEN
AUSDRUCKSWEISE ANPASSEN. ES SIND SEHR NETTE UND
GESELLIGE LEUTE, NICHT WAHR? Tod ließ sich neben
Rincewind aufs Bett sinken.
»Du kannst es nicht abwarten, wie?« bemerkte der Zauberer bitter.
KEINE SORGE.
»Mein letztes Stündchen hat also wirklich geschlagen. Eigentlich sol te
ich dieses Land retten. Aber ich werde sterben.«
O JA. ICH FÜRCHTE, DAS LÄSST SICH NICHT VERMEIDEN.
»Es ist alles so verdammt absurd. Ich meine, denk nur daran, wie oft
ich fast gestorben wäre. Drachen hätten mich verbrennen oder riesige Tentakelmonstren mich verschlingen können. Bei einer Gelegenheit
wollten alle Partikel meines Körpers in unterschiedliche Richtungen
davonfliegen.«
DU HATTEST ZWEIFELLOS EIN SEHR INTERESSANTES
LEBEN.
»Stimmt es, daß man sein Leben sieht, bevor man stirbt?«
JA.
»Eigentlich ein schrecklicher Gedanke.« Rincewind schauderte. »Da
fäl t mir ein… Vielleicht sterbe ich gerade und sehe in diesem Augenblick noch einmal mein ganzes Leben…«
ICH GLAUBE, DU VERSTEHST NICHT GANZ. PERSONEN
SEHEN WIRKLICH IHR LEBEN, BEVOR SIE STERBEN. DEN
ENTSPRECHENDEN VORGANG BEZEICHNET MAN ALS
»LEBEN«. MÖCHTEST DU EINE GARNELE?
Rincewind betrachtete den Eimer auf Tods Schoß.
»Nein, danke. Lieber nicht. Garnelen können sehr gefährlich sein. Und
ich finde es ziemlich happig, daß du hierherkommst, um mich zu
verspotten und in meiner Gesellschaft Garnelen zu essen.«
BITTE UM VERZEIHUNG.
»Alles nur deshalb, weil man mich morgen früh hängt, meine ich.«
TATSÄCHLICH? DANN BIN ICH NEUGIERIG DARAUF, WIE
DIR DIE FLUCHT GELINGT. WAS MICH BETRIFFT… ICH BIN
MIT EINEM MANN VERABREDET, DER SICH IN… Tods leere
Augenhöhlen glühten, als er sein Gedächtnis konsultierte. AH, JA, ER
BEFINDET SICH IN EINEM KROKODIL, MEHRERE
HUNDERT MEILEN VON HIER ENTFERNT, GLAUBE ICH.
»Was? Warum bist du dann hier?«
ICH DACHTE, DU WÜRDEST DICH VIELLEICHT ÜBER DEN
ANBLICK EINES VERTRAUTEN GESICHTS FREUEN. UND
JETZT GEHE ICH BESSER. Tod stand auf. EINE SEHR
ANGENEHME STADT, IN VIELERLEI HINSICHT. DU
SOLLTEST DIR DAS OPERNHAUS ANSEHEN, WÄHREND DU
HIER BIST.
»Zieh nicht gleich Leine… Ich meine, warte. Du hast meinen Tod
doch als unvermeidlich bezeichnet!«
JEDER MUSS STERBEN. IRGENDWANN EINMAL.
Die Wand öffnete und schloß sich so für Tod, als existierte sie
überhaupt nicht. Aus seiner Perspektive gesehen, war das durchaus der
Fall.
»Aber wie ?« stöhnte Rincewind. »Ich kann nicht durch Wände gehen.«
Er setzte sich wieder. Das Schaf kauerte in einer Ecke.
Rincewind starrte auf die Fleischpastete hinab und gab ihr einen
vorsichtigen Stoß. Sie sank tiefer ins Grün der Erbsensuppe.
Die Geräusche der Stadt drangen durchs hohe Fenster.
Nach einer Weile stieg das Stück Pastete wie ein vergessener Kontinent
auf und schickte eine träge Wel e zum Rand des Tellers.
Rincewind streckte sich auf der dünnen Decke aus und blickte zur
Decke empor. Jemand hatte dort etwas geschrieben:
Tag Kmpl.
Weitere Kostenlose Bücher